daily satt
- daily knörer -
20. Tag: Samariterstrasse (Friedrichshain)
Natürlich ist mir klar, dass es der Idee der Straßenerkundung zuwiderläuft. Und natürlich kann ich nicht widerstehen: heute geht es um die Straße, in der ich wohne. Sie liegt in Friedrichshain, aber auf der "anderen" Seite der Frankfurter Allee. Alle Welt strömt, meist von der S-Bahn aus, Richtung Simon-Dach-Straße, hier hingegen ist's eher ruhig und erst nach und nach wagen sich vereinzelte Kneipen und Cafés in diese mit viel Fördergeld im letzten Jahrzehnt gründlich durchsanierte Ecke.
Zwei Ureinwohner gibt's: Queen Vic, den British Pub, dessen Authentizität noch niemand in Frage gestellt hat und, auch nicht weniger authentisch, Lolly-Pub, die Eck-Kneipe, deren Publikum das gerade Gegenteil des upwardly mobile Schüler- und Studentenvolks von drüben ist. Dazu chinesischen Fast Food und türkischen, einen Versicherungsmakler, der sich auf die herabgelassenen Rolläden hat Graffiti sprühen lassen: der Edeka unten an der Ecke hat, leider, die Idee aufgegriffen, ein Kosmetikshop namens Sanddüne, die Fahrschule Biene, stinknormale Straße. Weiter oben tanzt, als nicht sehr stilsicherer Backsteinkitsch, die Samariterkirche aus der Reihe und macht morgens um zehn und abends um sechs einen Höllenlärm.
Das Hinterende der Samariterstraße stößt auf das alte Schlachthofgelände, das zwischen Tod und Leben schwebt, halb abgerissen, neuer Nutzung noch nicht zugeführt, vom Langen Jammer, der furchterregend trost- und endlosen Fußgängerbrücke zur S-Bahn und nach Prenzlauer Berg hinüber, überspannt, ein waste land, das auf ein Comeback wartet. Und nur da oben, an dieser Ecke, hat man von Grund auf neu gebaut, mit Sinn fürs Hässliche, blau gewellte Fassadenverblendung, eine Kegelbahn: weiß auf rot ruft es den wenigen Menschen, die hier vorbeikommen, entgegen: Bowlero.