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Ekkehard Knörer
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Mai 2002
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- daily knörer -


9. Tag: Hiroshimastraße (Tiergarten)
Besichtigung: Donnerstag, 9.5., 16 Uhr 30 bis 16 Uhr 45

Japanische Botschaft

Keiner wohnt in der Hiroshimastraße. Nicht wirklich, jedenfalls. Es gibt keine Läden, keine Bushaltestelle und keine Cafés. Vor ein paar Jahren noch war sie einfach nur eine Sackgasse zwischen Tiergartenstraße und dem Reichpietschufer des Landwehrkanals, jetzt stellt sie eine Verbindung her. Seither hat sich in der Gegend, die Geschichte hatte, wie so vieles im Umkreis, aber keine Gegenwart, viel getan: viele Botschaften bedeutender und nicht so bedeutender Länder haben hier neu gebaut, oftmals architektonisch interessant, interessanter jedenfalls als das meiste, was am Potsdamer Platz herumsteht.

Japanische Botschaft: faschistisches Hinterteil

Die Hiroshima-Straße wird dominiert von der neuen japanischen Botschaft, ein elegant-kühler heller Bau. Das faschistische Hinterteil der einstigen (unter Mussolini gebauten) und nach längerem Hin und Her, wenn ich richtig informiert bin, auch zukünftigen italienischen Botschaft liegt ihr, im Stil der Vulgärrenaissance und rosa, gegenüber. Es wird gebaut. Folgt ein verwilderter Garten mit einer Hausruine, zugemauerte Fenster, rostige Metallstreben. So sah's hier früher aus, Stadtbrache. Jetzt stützt die neu gebaute estnische Botschaft die ausrangierte Villa, der nicht abzulesen ist, ob aus ihr nochmal was wird. Etwas aus der diplomatischen Reihe tanzt der Neubau der Friedrich-Ebert-Stiftung, dunkler Klinkerbau, eher langweilig, echt sozialdemokratisch, als kleine Extravaganz hat man sich einen kleinen silbernen Metallwald geleistet, der vor dem Haus rum steht wie nicht zuende aufgebautes Zeltgestänge. Durch die Baulücke fällt der Blick auf die Rückseite des Verteidigungsministeriums, ein großer weiter Aufmarschplatz davor, alles menschenleer heute.

RuineWeltbär

Nicht weiter aufregend also, die Straße. Wunderbar aber war's, am ersten Sommertag des Jahres vom Friedrichshain hier rüber zu radeln, Sonne bekommt Berlin immer ausgesprochen gut. Die Stadt räkelt sich und sieht gleich viel netter aus, überall eigentlich, nur gegen das rettungslos Hässliche, wie warzig verputzten Beton aus den 60er Jahren in der Hedemannstraße irgendwo in Kreuzberg vermag auch die Sonne nichts. Und nur gelegentlich kreuzten sternhagelvolle Väter den Weg.

 
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