daily satt
- daily knörer -
8. Tag: Guineastraße (Wedding/Mitte)
Besichtigung: Mittwoch, 8.5., 16 Uhr bis 17 Uhr 30
Der Wedding, ein altes Berliner Arbeiterviertel, hat keinen besonders guten Ruf. Ich habe das nie so recht verstanden, denn gerade seine Durchschnittlichkeit macht ihn eigentlich sehr sympathisch: weder geben sich die Leute hier so kiez-borniert und misstrauisch wie oftmals noch immer in traditionellen West-Berliner Bezirken, in denen den Bewohnern auf die Stirn geschrieben steht, dass sie ganz gerne die Mauer wieder hätten, noch findet man die schwer erträgliche aggressiv gewendete Frustration mancher Ost-Ecken, noch, natürlich, die noch schwerer erträgliche Neu-Berliner-Hipness, die in Mitte und Prenzlauer Berg Einzug gehalten hat. Im Wedding ist alles ganz schön stinknormal, der Volkspark Rehberge muss sich vor keiner anderen Berliner Grünfläche verstecken, in der Müllerstraße lässt sich denkbar unprätentiös einkaufen: prima Bezirk.
Entstanden sind weite Teile des Wedding, auch das im Zuge der deutschen Kolonialbemühungen so genannte Afrikanische Viertel, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in den zwanziger Jahren haben die Architekten Bruno Taut oder Mies van der Rohe vorbildlich neu-sachliche Straßenzeilen entworfen. Es ging um die Vermeidung der typischen finster-feuchten Mietskasernen mit lichtscheuen Hinterhöfen, in denen der studentische Neuberliner heutzutage mindestens die ersten Jahre zu verbringen pflegt. In der Guineastraße freilich findet man kaum alte Bebauung, die Deutschbau hat mit einer einheitlichen, beinahe die halbe Länge der Straße einnehmenden Vielfamilienmietsbebauung mit vorgelagerten Garagenhöfen keine Heldentat vollbracht. Ansonsten: ein wenig runtergekommene Kneipen, Garagenzeilen, ein Spielplatz mit silber-metallischem Rutschrohr, eine langgestreckte Grundschule.
Ein paar Schritte weiter die Lütticherstraße, die in einem ihrer Hinterhöfe - nach den bisherigen Erfahrungen muss ich fast schon sagen: nicht so erstaunlicherweise - eine Mini-Kleingartenkolonie untergebracht hat. Im Ernst: etwa zehn Laubenpiepergrundstücke, innenstädtisch, im Hinterhof. Noch ein bisschen weiter, am seit 1925 bestehenden Anti-Kriegsmuseum in der Brüsseler Straße vorbei, gibt's ein großzügiges Häuserquadrat, das auch nach Mustersiedlung mit großem grünen Innenhof aussieht. Sehr angenehm und wenn man zu einem der vielen, das ganze sehr zugänglich und offen machenden Torbögen rausgeht, stößt man direkt auf einen Minigolfplatz. Dann kann man doch wirklich nicht klagen.