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- daily knörer -
25. Tag: Udetzeile (Tempelhof)
Liebling, ich habe die Häuser geklont: eines sieht aus wie das andere, die ganze lange Gontermannstraße entlang, von der in ihrer endlichen Beuge die Udetzeile abgeht. In der Mitte der dreistöckigen Einheiten jeweils Balkone, zweimal mit Backsteinen rundbögig ausgemauert, oben dann mit Säulen aus demselben dunklen Backstein verziert. Der einzige Unterschied liegt in der Farbe der leicht schrumplig verputzten Fassaden, manche grau und lange ungewaschen, andere frisch saniert, herausgeputzt.
Ernst Udet war ein Flieger-Held des Ersten Weltkriegs, was vielleicht nicht ehrenrührig ist, jedoch: im Dritten Reich verehrte man ihn, der immens erfolgreiche Fliegerfilme drehte und mit zur Seite geneigtem Flügel Taschentücher vom Boden lupfte, auch und gerade von offizieller Seite wie einen Halbgott, wogegen er nicht das mindeste einzuwenden hatte. Göring spannte ihn vor den Karren des Aufbaus der Luftwaffe, ernannte ihn mit einem Titel, den er flugs erfunden hatte, zum Generalluftzeugmeister des Deutschen Reiches und unterstellte ihm im Krieg die Abteilung Fliegertechnik. Udet fühlte sich heillos überfordert, Göring machte ihn nach der Niederlage gegen die englische Luftflotte zum Sündenbock, Udet brachte sich um. Carl Zuckmayer, der mit Udet befreundet war, modellierte des Teufels General, Harras, nach seinem Vorbild.
Die Stadt Berlin machte Udets Entnazifizierung im Jahr 1957 (!) zur vollendeten Tatsache, indem sie ihm die Ehre dieser kleine Straße zukommen ließ, im Fliegerviertel, darumherum aber auf die Felder des Ersten Weltkriegs gefallene Kollegen. Erläuternd, aber unerläutert, übernimmt man auf dem Straßenschild den von Göring geprägten Titel: Udet, deutscher Flieger, Generalluftzeugmeister. Auf dem Rasen vor der Einfahrt in die Udetzeile, neben einem grünlich verfärbten Stück Kunst, das da einfach herumsteht, ein Kaninchen, das nur ein bisschen davonhoppelt, als es mich sieht. Im Garagenhof der Udetzeile steht auf einem Schild: Das Ballspielen an den Garagentüren ist untersagt.
Vorne am Bahnhof Papestraße, zehn Fußminuten von der Udetzeile, eine ehemalige Kaserne mit einer Gedenktafel: Den Opfern des frühen Naziterrors 1933 in Kellern der Kaserne General-Pape-Straße.