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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




März 2007
Christina Mohr
für satt.org


Wohnzimmerclub
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Wohnzimmerclub
– VIII –

Die Tage werden wieder länger – ist das gut oder schlecht für die tanzende Bevölkerung? Clubs sollten eigentlich rund um die Uhr geöffnet haben, wie ein 24-Stunden-Supermarkt. Warum bis 1.00 nachts warten müssen, wenn sich der Tanzimpuls schon um 16.00 meldet? Warum nach dem Bürojob ins Fitnesscenter gehen, um die verspannten Muskeln zu lockern – ein Ganztagesclub könnte dem Drang nach Bewegung den unschönen Beigeschmack des sportlichen „Trainierens“ nehmen …. Aber diese Idee ist wohl ähnlich utopisch wie laufmaschensichere Strumpfhosen, wer sich vom Club-Öffnungszeiten-Diktat befreien will, kann mit den hier vorgestellten Platten die Revolution zu Hause schon mal üben:

Compost 250:
Freshly Composted Vol. 2
(Compost Records/Groove Attack)
www.compost-records.com

Compost 250, Freshly Composted Vol. 2

Das Münchner Compost-Label feiert seine 250. Veröffentlichung (laut Labelinfo ganz unbescheiden die „Silver Wedding“) mit einem schicken Sampler, mit dem sich ganz flockig in den Frühling grooven lässt. Die Compost-Leute haben gewiss keine Mühe, eine Compilation mit eigenen Künstlern vollzukriegen, aber „Freshly Composted“ beweist ausserdem, dass die Münchner nach wie vor in der ersten Liga der House-, Dance- und Ambientszene spielen. Bei Compost wird nicht gekleckert, sondern geklotzt, schon der erste Track, „Tides“ von Beanfield erscheint im neuen Remix-Gewand, geschneidert von niemand Geringerem als Carl Craig. „Shanti Dance“ von Muallem feiert die Repetitionsschleife, mit Felix Labands „Whistling in Tongues“ (im Todd-Terje-Remix) featuret freundlichen Esoterik-Dance. Klaus Walter würde sagen: „jeder Track ein Einzelkind“, aber in der Gesamtschau ergibt sich eine Krabbelgruppe aus lauter Hochbegabten. Mein Favorit ist Ben Mono mit „Jesus was a B-Boy“, Monos zweites Album erscheint bald bei Compost und dieser Track macht gehörig Lust darauf. Ausserdem auf „Freshly Composted“: Jean-Paul Bondy, die Downbeat-Pioniere Karma und die retro-stylishen Schöngeister Marsmobil.


James Brown: Dynamite X
(Couch Records/Universal)

James Brown, Dynamite X

Ok, James Brown war ein frauenverachtender, egomanischer Grobian, den ich nicht unbedingt gerne kennengelernt hätte. Doch dafür ist es jetzt ohnehin zu spät, JB, „the hardest working man in the music business“ verstarb an Weihnachten 2006 und hinterliess das saftigste, dreckigste Soul- und Funkopus seit Menschengedenken. Der 1933 in Georgia geborene James Brown wuchs in ärmsten Verhältnissen auf und verkörpert durch seine beispiellose Karriere den „American Dream“ schlechthin – und das als Schwarzer, mal ganz nebenbei. Seit 1956 gelangen „Mr Dynamite“ in den USA mehr als 70 Hits, nur Elvis schaffte mehr. Das Label Couch Records hat zum Gedenken JBs das Wagnis unternommen und seine berühmtesten Songs remixen lassen. Was zunächst überflüssig oder gar blasphemisch erscheint, entpuppt sich als schweisstreibendes Dance-Album, das James Browns Vermächtnis für die Zukunft flottmacht. Wobei es wahrscheinlich keinem Remixer der Welt je gelingen wird, einen Brown-Track bis zur Unkenntlichkeit zu verändern, James Browns schreiendes, schwitzendes Über-Ich ist nicht zähm- oder verwandelbar. So bleiben die Eingriffe der auf „Dynamite X“ arbeitenden DJs und Producer auf ein paar moderne Ingredienzien, ein paar Repetitions hier, ein paar Extrabeats dort beschränkt, der Meister kommt auch nach seinem Tod mehr als vital rüber.

Die Platte eröffnet (natürlich) mit „Sex Machine“, geht über in „Give It Up Or Turnit A Loose“, dessen stampfender Rhythmus die Legende der „hard work“ JB's eindrucksvoll weiterstrickt, „Call Me Super Bad“ ist neben dem klassischen „Sex Machine“ sowas wie die Einmarsch-Hymne Browns, seine Schreie und „Oh's“ werden von den Mixertricks Cay Taylans angemessen in den Mittelpunkt gerückt. „Sunny“, im Original von Bobby Hebb, beginnt trügerisch sanft und zurückhaltend, aber es dauert nur wenige Sekunden, bis sich Browns Super-Ego Luft verschafft und „Sunny“ in einen groovy Dancehit verwandelt. Auch wenn James Browns Original-Musik zeitlos und kraftvoll ist, die Neubearbeitung steht ihr fabelhaft – mit Klassikern kann man sowas eben machen.


Pantha Du Prince:
This Bliss
(Kompakt)
www.panthaduprince.com

Pantha Du Prince, This Bliss

Hendrik Weber alias Pantha du Prince wird häufig in einem sehr philosophischen Kontext verhandelt: es fallen Namen wie Foucault und Marx, seine Musik wird gerne als „digitale Romantik“ bezeichnet und er selbst hat nichts vom selbstverliebten Narziss, den viele seiner DJ-Kollegen oft abgeben, sondern bleibt hinter seinen Reglern fast unsichtbar. Man muss „This Bliss“ allerdings gar nicht unter marxistischen oder sonst welchen Gedankenkonstrukten abhandeln. Panthas gehaltvolle, sphärische Sounds sprechen für sich, bringen Licht ins Dunkel und Depressive zum Tanzen. Weber/Prince hält wenig von grellen Effekten, seine Klicks erzeugen warme Humanoiden, die atmen und pulsieren. Ab und zu streut Pantha ein paar Glöckchen ein („Walden 2“), lässt die Regleranzeige fröhlich auf- und abhüpfen wie bei „Moonstruck“ oder dreht den Bass bei „Urlichten“ ganz tief, aber im Vordergrund steht souveräne Eleganz. Die Tracks entwickeln sich wie von selbst, durch ihren Meister nur ganz sacht in die eine oder andere Richtung geführt. Tracks wie „Saturn Strobe“ mögen für den Club konzipiert sein, entfalten ihre märchenhafte Kraft aber auch zu Hause. Vielleicht möchte man mit „This Bliss“ sowieso lieber allein sein, anstatt dieses dunkel-schöne Geschenk mit anderen zu teilen.


Mochipet: Disco Donkey
(Daly City Records)
www.mochipet.com
www.dalycityrecords.com

Mochipet, Disco Donkey

Mochipet stammt aus Taiwan, sein Vater ist Raumfahrttechniker, die Mutter Lehrerin – gute Voraussetzungen, um ein technikverliebter Elektronikfricker zu werden! Doch David Wang (a.k.a. Mochipet) begann seine musikalische Laufbahn als Gitarrist einer Heavy-Metal-Band und es sollte eine ganze Weile dauern, bis sich Wang in die Geräte verliebte. Als es soweit war, lebte er längst in Daly City/Kalifornien und begann von dort aus, den Globus zu bereisen und überall zu spielen, wo er eingeladen wurde: ob im Pudel Club in Hamburg, im WMF in Berlin, im Echo in Los Angeles oder beim Equalizer Festival in Holland. Mochipet ist mit Bands wie Coldcut, Dat Politics und Matmos aufgetreten, seine Tracks wurden auch von der Sport- und Skaterwelt wohlwollend aufgenommen. „Disco Donkey“ ist seine bisher tanzbarste Veröffentlichung und wird durch Gastauftritte und Remixe von Ellen Allien, Scissors for Lefty, Phon.O und vielen mehr veredelt. Der zweite Track, „Robot Girl“ mit Miss Allien ist warmer, Eighties-beeinflusster Dance-Pop, „Woody Guthrie“ klingt zwar nicht wirklich nach Protestfolk, samplet aber Gitarren zwischen den holpernden Beat und die fiependen Synthies. Mochipet liebt den satten, raumfüllenden Beat genauso wie verspielte Elektronik und verwirrende Loops. Der „Disco Donkey“ wird durch den Club taumeln, auf der Strasse tanzen und mittendrin ganz eselmässig einfach störrisch stehenbleiben. Aber gib ihm ein Zuckerl' und er bewegt sich weiter und weiter und weiter ….


Smile Style – compiled
by Gärtner der Lüste
(CSR/Wave Music)
www.wavemusic.de

Smile Style – compiled by Gärtner der Lüste

Ralf Ilgner ist der „Gärtner der Lüste“ - man kann diesen Aliasnamen für einen DJ natürlich erstmal spontan beknackt finden, aber Ilgner liess sich von Hieronymus Boschs Tryptichon Garten der Lüste inspirieren. Das Bild beeindruckte Ralf Ilgner vor einigen Jahren stark und veranlasste ihn dazu, seine DJ-Abende seither unter diesem Motto zu bestreiten. Das Motiv des Gärtnerns, des Hegens und Pflegens, Bewässerns und Düngens bestimmt Ilgners Arbeit als DJ, sein Beet ist der Dancefloor, auf dem so einiges aus den Bereichen Jazz, Lounge, Bossa und Soul nebeneinander gedeiht und die Leute zum Hüftenschwingen bringt. Für Wave Music hat Gärtner Ilgner seinen grünen Daumen bewiesen und eine sehr sonnige Compilation zusammengestellt: Zwischen Klassikern von old Dino Martino („Mambo Italiano“ im Remix von Club des Belugas), Oscar Peterson („The Girl from Ipanema“) und Josephine Baker („C'est Ca Le Vrai Bonheur“) blinken und blitzen frische Bossa-Nova-Grooves auf, zum Beispiel von Koop oder The Lovers (welch' ein Name für eine Bossa-Band!), deren französische Sängerin ganz entzückend lasziv „Crik Crak“ über die Percussions haucht. Tape Five sorgen mit „Tango for a Spy“ für Gangsterfilmassoziationen, Ganeshs „Evergreen“ ist elegant-federnder Barjazz und so kann jeder glücklich werden mit des Gärtners „Smile Style“, der nicht erwartet, ein neues Jazz-Manifest geliefert zu bekommen.


Designer Imposter: Good News
(10 Inch-Single/Rubaiyat)
Vertrieb: Groove Attack

„ …Put the needle on the record, turn the radio off …“ - während der letzten Wochen begegnete dem geneigten Hörer immer häufiger der hypnotisch-spartanische Track der zauberhaften New Yorkerin Designer Imposter, die als DJ die verschiedensten Styles unter einen Hut und auf einen Dancefloor bringt. Sie samplet Live-Drums, tiefe Bässe und political awareness, die sich gewaschen hat. Ihr Song „Good News“ mit der oben erwähnten Zeile plus der Remix von Pink Alert (DJ Pink Alert & Skinny White aus Mannheim) ist in Deutschland auf dem Heidelberger Label Rubaiyat erschienen, das an dieser Stelle wärmstens und ausdrücklich empfohlen sein soll. Rubaiyat produziert wunderbar ausgestattete und liebevoll designete Vinyl(!)-Platten im Zeichen der Rose, aber Rubaiyat ist auch eine Band … verfolgt das weitere Geschehen unter:

www.rubaiyat.de
myspace.com/rubaiyatmusic
www.grooveattack.com