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Dreams Come True. Classic First Wave Electro Es dauert nur wenige Sekunden und man weiß, warum Jon Savage Yazoos „Situation“ ausgewählt hat, um die Compilation „Dreams Come True“ zu eröffnen: ein trocken knallender Drumcomputer, Vince Clarkes Höhen und Tiefen auslotende Synthies, dramatische Breaks und über allem Alison Moyets ehrfurchtgebietende Soulstimme, kühl und voller Leidenschaft zugleich. Eine zeitlose urbane Clubhymne, aufwühlend und euphorisierend, perfekt geeignet, um die Verschmelzung von Postpunk und Disco, die ersten Schritte des noch jungen Elektro-Dancepops zu dokumentieren. Savage, Musikjournalist, Buchautor, Compiler und ehemaliger Hacienda-DJ erreicht mit „Dreams Come True“ das Gleiche wie mit seinen Büchern („England's Dreaming“, „Teenage“): Wissensvermittlung en passant, mit Leidenschaft, Begeisterung und ohne jeglichen Anflug von Oberlehrerhaftigkeit präsentiert Savage elf Maxisingles, die exemplarisch für eine Musik stehen, die zu ihrer Erscheinungszeit häufig belächelt wurde und heutzutage in den Clubs als der heiße Scheiß gilt. Als Punk und Disco tot waren und die Leute in den Clubs trotzdem weitertanzen wollten, begannen DJs wie Arthur Baker, Jellybean oder Larry Levan in Manhattan und anderswo, deutschen Prä-Elektro wie Kraftwerk mit Giorgio Moroders Munich-Discoplatten und frühem HipHop wie Afrika Bambaataa zu mixen, zeitgleich experimentierten Postpunks wie Vince Clarke mit ihren Synthesizern, um ihnen tanzbaren Pop zu entlocken. Der Weg des neuen Dancesounds führte von der New Yorker Paradise Garage in Manchesters Hacienda, nach Ibiza, Italien und in hessische oder badische Dorfdiscos. Elektropop/-disco wurde universal, im Guten wie im Schlechten: Yazoo gehören genauso dazu wie die Pet Shop Boys, aber auch trashige Acts wie Sinnita. Savages Auswahl ist grandios: peitschenknallende Synthiedrums, schwelgende Melodien, soulige oder auch roboterhaft-verfremdete Vocoder-Vocals, kühle Elektronik und verschwitzte Discosounds führen zu ersten House-Blüten und Techno-Skizzen, zu Euro-Disco und Elektonikpop. Wer die Achtziger verstehen will, braucht diesen Sampler. ◊ ◊ ◊
Michna: Magic Monday Keinen „Manic“ sondern einen „Magic Monday“ verspricht Adrian Michnas Album für Ghostly International. Auf scheinbar kleine Details wie ein „n“ oder „g“ an der richtigen Stelle legt Michna großen Wert: der in New York und Miami aufgewachsene Trompeter, DJ und Remixer verwendet zum Beispiel keine Samples für seine funky HipHop-Instrumentals. Im Booklet befindet sich eine Auflistung aller für „Magic Monday“ eingesetzten Instrumente und elektronischen Gerätschaften, die vom Korg MS-20 über verschiedene Bläser, Fender Amps bis hin zu Maxell Floppy Discs reichen. Ferner weist Adrian Michna alias Egg Foo Young (so sein DJ-Alter Ego) darauf hin, dass sich die Tracks durch ihre Produktionsweise nicht für die Komprimierung in MP3-Files eignen – und auch wenn man keine Ahnung von Technik hat, leuchtet der Hinweis beim Hören sofort ein: die zwölf Tracks auf „Magic Monday“ atmen und pulsieren, brauchen Platz. Michna entwickelt eine clubtaugliche Vision, die zwar größtenteils ohne Worte auskommt, der aber durch eingestreute „field recordings“, wie zufällig auftauchende Satzfetzen und Verkehrsgeräusche urbanes Flair eingehaucht wird. Das hört sich mal quirlig und verfrickelt an („Raw Paw“), oder jazzig-cool („Swiss Glide“), Achtzigerjahre-Referenzen lassen sich bei Tracks wie „Third Orbit“ oder „Italian Visitor“ ausmachen. Und weil Adrian Michna offenbar weiß, dass es schwierig ist, über elektronische Musik ohne Lyrics zu schreiben, hat er das selbst übernommen: zu jedem Track erzählt er eine kleine persönliche Geschichte. Man erfährt beispielsweise, dass sich „Skunk Walk“ auf eine Begebenheit bezieht, die Michna als Betreuer in einem Ferienlager erlebte. Es kommt bei „Magic Monday“ eben auf die Details an.... ◊ ◊ ◊
Body Language Vol. 7 Mixed by Matthew Dear Die Body Language-Serie des Berliner Labels Get Physical bürgt für Qualität: Junior Boys, Dixon, Jesse Rose und andere sorgten bereits mit ihren Mixes für große Freude auf dem Dancefloor. Für die – in diesem Fall gar nicht – verflixte siebte Folge konnte Matthew Dear gewonnen werden, der außer unter seinem echten Namen noch als Audion und False unterwegs ist, um sich Hardtech resp. Minimal zu widmen. Matthew Dear als Matthew Dear hingegen liebt House und tanzbare Beats, seine Remixe für Hot Chip und Chemical Brothers mehrten den Ruhm des Amerikaners ebenso wie seine eigenen Platten. Für „Body Language Vol. 7“ greift Dear tief in die Groovekiste, damit die Körper/Bodies ordentlich ins Schwitzen kommen: Martinez' „Retrospective“ beispielsweise tickt gute acht Minuten auf den steilen Beat, auch die Mixe von Kid Sublime, Kalabrese, DJ Koze, Soulphiction und Johnny D. gehören zu den Highlights der Platte. Auffällig: Matthew Dear belebt Vocal House neu, schließlich gehört die Stimme auch zum Körper und will mit in den Club. Echos, verhallte Rufe, Flüstern, gesamplete Wortfetzen füllen die Tracks mit Leben. And the beat goes on and on and on.... eine satte Stunde lang. ◊ ◊ ◊
The Rapture Tapes Keinen Mix, sondern ein Mixtape legen The Rapture auf !K7 vor: die Funk-Waver aus New York City zeigen anhand von 22 Tracks, wie sie wurden, was sie sind. Den Reigen eröffnet „Earthquake Shake“ von The Undisputed Truth aus den frühen Siebzigern, beendet wird er vom Detroit-Techno-Projekt Galaxy 2 Galaxy und „Afro Arps and Minimoogs“. Dazwischen gibt es jede Menge Funk- und Disco-Highlights aus drei Dekaden, als da wären The Bar-Kays, Armand Van Helden, Alter Ego, Thomas Bangalter, Richie Havens und viele mehr. Kuhglocken klingeln, die Beats sind meist synthetisch, die Hooks hymnisch, hypnotisch und zwingend tanzbar. Nur woher The Raptures Faible für gitarrenlastigen Indie-Wave kommt, wird durch dieses Tape nicht klar... ◊ ◊ ◊
CLP Chris de Luca vs. Phon.o: Supercontinental „CLP“ stand auf Drumcomputern der ersten Generation und war das Kürzel für „Claps“, also (Hände-)Klatschen, das im Rap und HipHop häufig die Snaredrum ersetzt – ein ganz spezieller, genrebestimmender Sound also und kein Wunder, dass sich Chris de Luca of-Ex-Funkstörung-Fame und DJ Phon.o (beide Berlin) diese signifikante Abkürzung für ihr Projekt oder besser Experiment ausgesucht haben. De Luca und Phon.o schickten – E-Mail und myspace machen's möglich – ihre neuen Funk-, Crunk-, HipHop- und Miami-Bass-Instrumentals an talentierte, meist noch unbekannte RapperInnen aus den USA und Südafrika und luden zur virtuellen Blockparty. Die Ergebnisse der „superkontinentalen“ Kooperationen begeistern auf ganzer Linie: die erst sechzehnjährige Rayzaflo rappt explizite Lyrics auf „Putcha Handz Up“ und „Flash Bakk“, überhaupt sind erfreulich viele weibliche Stimmen auf „Supercontinental“ zu hören: White Gold Princess veredelt „Insatiable“ und niemand geringeres als die coolen Sistas von Yo Majesty! zeigen ihre Skills bei „Party Hardy“. ◊ ◊ ◊
Club Tikka! Volume 2. Compiled by Mellow 2007 erschien auf Muto/Lounge Records die erste buntgepunktete Compilation „Club Tikka!“ - die sprichwörtlich bunte Mischung aus Retro-Funk, Bossa, Neo-Soul und Disco kam so gut an, dass DJ Mellow (Lounge Records) sich ranhalten mußte, um fix eine zweite Tikka-Folge zusammenzustellen. Die sechzehn neuen Tracks und Remixe auf „Tikka 2“ gehen direktemang in Ohren, Beine und Bauch, bekannte Namen wie JetTricks, The New Mastersounds, Glam Slam, Mr. Confuse, Torpedo Boyz garantieren durchgehend hohe Qualität: Tracks wie „The Dude“ (Glam Slam, bisher unveröffentlicht) oder „I Can't Give You Up“ (Smoove feat. John Turrell) perlen und pumpen elegant und funky wie Hölle aus dem Abspielgerät. Ideale Sounduntermalung für die gehobenere After-Work-Party. ◊ ◊ ◊
Dave Aju: Open Wide Diese Platte ist eine Sensation! Nach einer Handvoll gefeierter Singles bringt Dave Aju aus San Francisco endlich das full-length-Album „Open Wide“ heraus – auf der alle Sounds aus Mr. Ajus Mund stammen: die tiefen House-Bässe, die HipHop- und funky Beats, die bouncenden Synthieloops. Und die Vocals selbstverständlich. „Open Wide“ wäre auch ohne die außergewöhnliche Produktion ein großartiges Album, warm, tief, tanzbar, historisch und modern. De:Bugs „Album des Monats“ im September. ◊ ◊ ◊
Ante Perry: Flashing Disco Sounds Der Dortmunder DJ Ante Perry ist ein Urgestein der deutschen Technoszene: seine Auftritte als Beach Power oder Der Urknall bei Loveparades, Mayday und Nature One sind legendär, gilt Perry doch als (Im positiven Sinne!) ausufernd und unberechenbar. Perry setzt alle Varianten elektronischer Musik ein, von House über Techno und Breakbeats, bleibt dabei immer tanzbar, wild und überschwänglich. Das Doppelalbum „Flashing Disco Sounds“ vermittelt eine Ahnung von Ante Perrys DJ-Sets: CD 1 beinhaltet einen kompletten Set mit fünfzehn Tracks, darunter Burnskis „You Said“, „The Fruit Fly“ von Vincenzo und Johnny D.'s „Orbitalife“; auf CD 2 kann man Perrys Skills als Composer bewundern: ganze zehn eigene Tracks gibt es hier, fünf davon bisher unveröffentlicht. ◊ ◊ ◊
Detroit Grand Pubahs: Nuttin' Butt Funk Huuu, schlimmes Cover: der mit einem Stringtanga nur notdürftig verhüllte Frauenhintern spiegelt sich in den Sonnenbrillengläsern eines genüßlich grinsenden älteren Herren – Mack Goudy und The Mysterious Mr. O alias Detroit Grand Pubahs lassen ihrer Vorliebe für Hintern resp. Booties freien Lauf und schämen sich für gar nix. Für ihre Musik brauchen sich die beiden DJs und Labelbetreiber (DetEleFunk / Detroit Electro Funk) auch nicht zu schämen, ihre kühne Mixtur aus deepem Detroit-Techno, Jazz-Gedaddel, Funk, Elektro und schmutzigen Witzen ist so abgedreht wie begeisternd. Tracks wie „50.000 Legions“, „Chi Town Shuffle“ und „Dirty Old Men“ haben das Zeug zu Techno-Klassikern, zu denen man länger als eine Saison tanzen wird. Das Album ist in bester Oldschool-HipHop-Manier von Interludes durchsetzt (z.B. raunt eine Altherrenstimme „I like touching myself in public“), baut Spannung auf und verabschiedet sich folgerichtig mit dem Track „Thanks for Coming“. Für „Nuttin' Butt Funk“ gilt einmal mehr: don't judge a book/record by its cover! ◊ ◊ ◊ |
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