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Elektroschock. Die Geschichte der elektronischen Tanzmusik Dieser Wohnzimmerclub startet ausnahmsweise mit einem Druckerzeugnis: Hannibal legt „Elektroschock“ neu auf, das inzwischen als Standardwerk geltende Buch des französischen House- und Techno-DJs Laurent Garnier. Das Original erschien 2003 in Frankreich, in Deutschland zwei Jahre später. Garniers Liebe zur Tanzmusik begann früh, als kleiner Junge spielte er in seinem Zimmer nicht mit der Eisenbahn, sondern legte Platten auf, um ein imaginäres Publikum (oder Mutter und Geschwister) zum Tanzen zu bringen. Sein erster Job als Jugendlicher führt ihn nach England, wo er als Kammerdiener für einen Diplomaten arbeitet – tagsüber bringt er Politikern Tee und kümmert sich um seinen Chef, doch die Nächte gehören ihm: Garnier erobert erst das Londoner Nachtleben, dann die Manchester-Szene. Ein Club namens Hacienda hat es ihm besonders angetan, dort läuft neben Gitarrensound von den Smiths und The Cure diese neue elektronische Musik aus Detroit und Chicago, die ihn begeistert. Garnier faßt sich ein Herz und spricht mit dem Clubbetreiber, ob er nicht auch einmal auflegen dürfe – und schon wird Laurent Garnier Resident DJ in der Hacienda. Er gehört zu den treibenden Figuren, die der britischen Insel mit House, Acid, frühem Techno und einer eklektischen Popauswahl England 1989 den „Summer of Love“ bescheren: Rave wird geboren. Überall tanzen die „Scallys“ (Raver) in weiten T-Shirts mit Smilie-Aufdruck zu der neuen Musik, Ecstasy gehört genauso selbstverständlich zur Raverszene wie Trillerpfeifen; bald schwappt die Rave-Bewegung mit Garniers Hilfe auch nach Frankreich, etwas später nach Deutschland über. Laurent Garnier erzählt detailgenau und voller Leidenschaft aus seinem Leben als DJ; er skizziert die Pariser Clubszene, berichtet von den Anfängen der Love Parade in Berlin und huldigt seinen Helden, den Detroiter Technokünstlern Jeff Mills und Mike Banks (Underground Resistance), die beide mit einem längeren Beitrag im Buch zu Wort kommen. „Elektroschock“ lebt von der biografisch-subjektiven Erzählweise Garniers, dessen Liebe zur Musik mit enormem Fachwissen gekoppelt ist – unverzichtbares Werk für alle, die sich für Techno, House und elektronische Tanzmusik im Allgemeinen interessieren. ◊ ◊ ◊
Die Türen: Booty Die Türen aus Berlin ließen ihr Erfolgsalbum „Popo“ von guten Freunden remixen und nannten das Ergebnis folgerichtig „Booty“ – bevor man zu den von Erobique, Mense Reents oder Bobby Conn gemixten „Popo“-Tracks abtanzt und dem exklusivem Gedicht von Schorsch Kamerun lauscht, muß unbedingt ein genauer Blick aufs Cover erfolgen: Die Türen haben – wie einst Trio – die „Booty“-Hülle als Werbefläche vermietet. Das Frontcover wirkt auf den ersten Blick, als hielte man eine Spex-CD in den Händen, aber der darübergepappte „intro“-Button macht stutzig. Hintendrauf ist Werbung von verschiedenen Promoagenturen, der Wochenzeitung Jungle World und Pilsner Urquell zu sehen, aber auch von (festhalten!) Alexander Marcus, dem irgendwie nur halblustigen Schlagerprinzen, der in rosa Hose den von ihm kreierten Stilhybriden „Electrolore“ (Techno + Schlager) als neuen Tanztrend propagiert. Marcus zeichnet aber auch für den Remix von „Tanz den Tanz“ verantwortlich und der ist richtig super – steckt in dem Mann doch mehr, als sein debiles Grinsen vermuten läßt? Man wird es bald sehen, denn man munkelt bereits von gemeinsamen Auftritten der Türen mit Alexander Marcus... ◊ ◊ ◊
Ian Pooley: In Other Words Ian Pooley stammt aus Mainz, einer Stadt, die nicht unbedingt als Zentrum der Clubszene gilt. Pooley gelang es trotzdem, von dort aus eine Karriere als gefragter House-DJ zu starten. Mit seinem Kumpel und Studiokollegen Thomas Gerlach alias DJ Tonka warf er sich voll Begeisterung in Techno, House und Breakbeats und entwickelte schnell einen unverwechselbaren eigenen Stil. Pooley spielte fast überall auf der Welt, Clubs in Miami, Kiew oder Mailand sind nur einige seiner Stationen. Ian Pooley widersetzt sich den Gesetzen der immer schneller rotierenden Veröffentlichungsmaschinerie der Dance-Szene, er läßt sich viel Zeit, um ein neues Album herauszubringen: das letzte, „Souvenir“ erschien 2004. „In Other Words“ entschädigt für die Wartezeit; die 14 eleganten, fein gearbeiteten Tracks changieren zwischen Disco und House und kicken zum Teil sehr funky, wie zum Beispiel „What I Got“ mit Gastsänger Tim Fuller. Ein weiterer legendärer Gastvokalist ist auf der House-Hymne „Learn“ zu hören: kein Geringerer als Chicago-House-Gott Robert Owens veredelt diesen ohnehin schon zwingend tanzbaren Song. Apropos Song: im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen hat Pooley stets ein Händchen für Ohrwürmer. Die Hooklines von „Heat“, „Steppin' Out“ oder „Maestral“ sind so catchy, dass sie auch fernab großer Dancefloors funktionieren. „In Other Words“ hat schon jetzt das Zeug zum Klassiker – manchmal ist es doch gut, Songs und Sounds Zeit zum Reifen zu lassen. Auch und gerade in der schnellebigen Elektro-Tanzmusik. Übrigens: Ian Pooley ist umgezogen - von Mainz nach Berlin. ◊ ◊ ◊
Kidda: Going Up Hier ist das perfekte Sommeralbum! Ste McGregor alias Kidda lebt seit zehn Jahren im britischen Badeort Brighton und arbeitet hauptberuflich als Videokünstler: Elektronicacts wie Midfield General und X-Press 2, aber auch HipHopper Kanye West ließen Kidda 3D-animierte Clips zu ihren Tracks anfertigen. Doch nur die visuelle Untermalung für die Musik anderer Leute zu produzieren, genügte Kidda nicht: bereits im Jahr 2000 veröffentlichte er seine erste Single, die stilistisch vorwegnahm, was man nun in voller Länge auf „Going Up“ zu hören bekommt. Kidda liebt HipHop und Soul alter Schule, Big Beat und Northern Soul, Elektropop und Afrofunk. Motownklassiker der sechziger und siebziger Jahre standen für dieses Album ebenso Pate wie urbane Streetsounds, Kidda gelingt es, authentisches Oldiefeeling mit modernen „Störgeräuschen“ zu verbinden. Der Einstieg mit „Strong“ ist mitreissend und macht Lust auf die weiteren Stücke, die voller Überraschungen stecken. „VIP“ mit Gastrapper Pyhco Les (Beatnuts) und einem Kinderchor klingt, als hätte das Sesamstraßen-Personal einen Ausflug nach Brooklyn gemacht, um dort auf den Straßen zu singen und zu tanzen; bei anderen Tracks wird die gute alte Big-Beat-Maschinerie á la Fat Boy Slim ausgepackt, weitere Gastsänger wie Gary Lightbody von den Gitarrenpoppern Snow Patrol oder Lo Max von der HipHop-Band Blak Twang sorgen für stimmliche Highlights auf dieser rundum fröhlichen, höchst tanzbaren Platte. ◊ ◊ ◊
Scratch Massive: Underground Needs Your Money Baby ... and now for something completely different: Scratch Massive sind ein Tech-House-Act aus Paris, im Kern bestehend aus Maud Geffray, Camille Bazbaz und Sebastien Chenaut (alias Harvey Smithfield), die seit ihrem vielbeachteten Debütalbum „Enemys & Lovers“ von 2003 auf eine stetig wachsende Fangemeinde schauen können. Maud legt inzwischen regelmäßig im Pariser Club „Pulp“ auf (der im Booklet fotografisch festgehalten ist), das Arbeiten mit und für die Crowd hat die stilistische Bandbreite von Scratch Massive vergrößert. Deutlich herauszuhören sind Achtzigerjahre-Wavepop-Einflüsse, Anne Clark scheint ebenso zu den Lieblingen von Scratch Massive zu gehören wie The Cure oder The Human League. Scratch Massive bezeichnen ihren Stil selbst als „black electronic“, was den Sound sehr gut beschreibt: die Grundfarbe ist dunkel und atmosphärisch, die Beats stammen von House und Techno. „Underground Needs Your Money Baby“ ist ein tolles Paket für Einsteiger: auf der CD befinden sich zwölf live aufgenommene Tracks, darunter auch die Clubhits „Shining in my Vein“ und „Like You Said“, die DVD zeigt Scratch Massive bei der Arbeit – ebenfalls bei Liveauftritten. ◊ ◊ ◊
Secondo: A Matter of Scale Dem Londoner Label Soul Jazz Records kann man eigentlich blind (oder besser: taub) vertrauen, so verlässlich gut und außergewöhnlich sind die Veröffentlichungen. Deshalb kann man auch „A Matter of Scale“, das Debütalbum des italienisch-serbischstämmigen Producers Radovan Scasascia ohne vorheriges Probehören gefahrlos in den Warenkorb packen. Secondos Tracks sind beeinflußt von Disco- und Italo-House-Einflüssen, trotz tausender Winz-Samples wirkt der Sound eher minimal, funky und rundum tanzbar. Ruhigere Beatflächen sind selten, zeigen dann aber Secondos große Experimentierlust: „Wait For It to Come“ und „Destrails“ klingen wie mit der Schreibmaschine eingespielt, „Kuwait“ ist ein elliptisch aufgebauter Dancefloorfiller, seinen italienischen Wurzeln huldigt Secondo/Scasascia mit dem Track „Fine Primo Tempo“. Seit einigen Jahren ist Secondo auch als Remixer gefragt, er arbeitete für Richie Hawtin, Felix da Housecat und das Kammerflimmer Kollektief. Ein eigenes Label hat Herr Secondo auch: Dreck Records, auf dem er Acts wie Antonelli und Strategy herausbringt. ◊ ◊ ◊
Ragga Twins Step Out Ebenfalls Soul Jazz Records, aber ein ganz anderes Genre: die Eastlondoner Brüder Deman Rocker und Flinty Badam stehen seit gut fünfzehn Jahren für eine rasante Mixtur aus Jungle, HipHop, Breakbeat, Dancehall und Ragga – wie ihr Name schon sagt. Neben eigenen Tracks produzieren sie auch andere Künstler, sind gefeierte Blackmusic-DJs und gelten in ihrem Genre als Hardcore. Nach so vielen Jahren des gemeinsamen Schaffens war es Zeit für ein Best-of-Album, das jetzt als Doppel-CD mit siebzehn Tracks veröffentlicht wird. Neben Klassikern wie „Illegal Gunshot“ und „Rudeboy“ sind auch Remixes von „Spliffhead“ zu hören. ◊ ◊ ◊ Kurz, knapp, tanzbar:
X-Press 2: Raise Your Hands. The Greatest Hits 1994 gründeten die Londoner Produzenten und DJs Ashley Beedle, DJ Diesel und DJ Rocky das Elektro-House-Trio X-Press 2. Club- und Charthits wie „Say What“, „AC/DC“ und „London Xpress“ pflasterten seither ihren Weg, der durch knallige Tech-Beats und kühne Soundmixes geprägt ist. X-Press 2 arbeiteten seit ihren Anfangstagen gern mit Gastsängern zusammen, so verleiht David Byrnes honigsanftes Organ dem Song „Lazy“ eine regelrecht entrückte Stimmung, Rob Harvey ist auf dem hypnotischen Grower „Kill 100“ zu hören, Kurt Wagner von Lambchop (!) veredelt „Give it“, auf dem neuen Track „Fire“ erklingt Africa Bambaataas Stimme . „Raise Your Hands“ ist Greatest Hits-Compilation und Werkschau in einem, CD beinhaltet Remixe von Radioslave, Norman Cook alias Fatboy Slim und X-Press 2-Mixe für Kelis, Nitzer Ebb und Missy Elliot. ◊ ◊ ◊
Ocote Soul Sounds: The Alchemist Manifesto Die Alchemie fasziniert die Menschheit seit Jahrhunderten: versprachen die Alchemisten doch, man könne Gold aus schnödem Metall gewinnen. Die beiden aus Brooklyn stammenden Musiker Martin Perna und Adrian Quesada verließen ihre Hauptbands Antibalas und Grupo Fantasma, um als Ocote Soul Sounds die Ingredienzien Latin, Jazz, Afrobeat und psychedelischem Retrosound á la Santana zu musikalischem Gold zu schmelzen. Das Ergebnis ist ein perkussiver Trip, untermalt von Flöten, Marimbas, jeder Menge Blechbläsern und Synthieschleifen, mal groovy und tanzbar, mal chillig-entspannend. Um im goldigen Bild zu bleiben: „The Alchemist Manifesto“ ist kein schwerer Goldbarren, sondern fein gesponnenes Geschmeide. ◊ ◊ ◊
Munk: Cloudbuster Mathias Modica, Münchner mit italienischen Wurzeln, ist mit seinem Job als Mitbetreiber des Gomma-Labels nicht ausgelastet: unter dem Pseudonym Munk brachte er vor einigen Jahren das Album „Aperitivo“ heraus, seit Mai 2008 steht „Cloudbuster“ in den Läden. Modica/Munk liefert eine enorm spannende, eklektische und leichtfüßige Mixtur aus Italo- und New York-Disco, groovy Funkrhythmik und Popappeal. Munk hat illustre Gäste ins Studio eingeladen: die italienische Schauspielerin Asia Argento entpuppt sich als hochbegabte Vokalistin (sie singt bei „Il Gatto“, „No Milk“ und „Live Fast! Die Old!“), der legendäre Münchner Filmemacher Klaus Lemke (remember „Arabische Nächte“ und „Ein komischer Heiliger“ mit Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek!) steuerte den Text zu „The Rat Race“ bei und The Rapture-Bassist Matty Safer ist auf zwei Tracks zu hören. ◊ ◊ ◊
Midfield General: General Disarray Noch ein Labelchef, dem das Veröffentlichen anderer Künstler nicht genügt: Damian Harris, Begründer des Big Beat-Labels Skint Records nennt sich für seine eigenen Produktionen Midfield General und bringt mit „General Disarray“ heuer sein zweites Album heraus. In den vergangenen Jahren hielt sich Harris häufig in Paris auf, arbeitete mit Justice und den Ed Banger-Leuten zusammen, produzierte unter anderem die Justice-Single „D.A.N.C.E.“ Banger-Einflüsse sind deutlich spürbar, Midfield General hat aber einen eher melancholischen, düsteren approach zur Musik als die hektischen Franzosen. Der Track „137 Piano“ zum Beispiel entrollt einen wirklich „biggen“, wuchtigen Beat, untermalt von pointierten, klassisch anmutenden Pianoparts. Spooky Stimmen sind bei „Bass Mechanic“ zu hören, das tanzbare „On the Road“ entstand in Zusammenarbeit mit den wilden Elektronikerinnen von Robots in Disguise. Eine echte Kuriosität gibt es auch: wem „Teddy Bear“ bekannt vorkommt, sollte mal im Gedächtnis seiner frühen Jugend kramen. Vor vielen vielen Jahren lief die Trucker-Minisoap „Ruf Teddybär 1-4“ von Johnny Hill ganz oft im Radio. Die Story um einen gelähmten kleinen Jungen, der per CB-Funk Kontakt zu LKW-Fahrern aufnimmt, rührte Millionen Zuhörer. Midfield General verpackt den Originalsong „Teddy Bear“ in ein modernes Elektrogewand, Schauspieler Ralph Brown übernimmt die Rolle des Truckers. ◊ ◊ ◊
Mary Anne Hobbs... presents Evangeline Die britische Radiomoderatorin Mary Anne Hobbs präsentierte in ihren „Experimental“ Sendungen auf BBC 1 neben Grime, Techno und viel Elektro die ersten Dubstep-Produktionen und gilt als visionäre Wegbereiterin des Genres. Sie spielte Platten von Kode 9, Burial und anderen, als sonst noch niemand diese neue Spielart schwarzer Sounds wirklich wahrnahm. Neben ihrer Radioarbeit mischt sich Mary Anne Hobbs auch gern unters Volk: ihre DJ-Abende werden weltweit gefeiert, kürzlich konnte man sie in Berlin erleben. Auf dem bei Planet Mu erschienenen Sampler „presents Evangeline“ stellt Hobbs 16 rare Tracks von Dubstep-Acts wie Wiley, Dakimh, Pinch, Magnetic Man, Shackleton, Unitz und vielen anderen vor – sonische Kostbarkeiten, nicht immer zum Abhotten geeignet. ◊ ◊ ◊
Black Devil Disco Club: Eight oh Eight Black Devil Disco Club ist das Dance-Projekt der französischen Produzenten (schon wieder Frankreich – heimlicher Schwerpunkt dieses Wohnzimmerclubs) Bernard Fevre und Jackie Giordano. Die beiden vertreten eine sehr eigenwillige, höchst sparsame Veröffentlichungspolitik: Ende der siebziger Jahre brachten sie die 6-Track-EP „Disco Club“ heraus, 28 Jahre später wurde die Platte unter dem Titel „28 After“ bei Lo Recordings re-releast und jetzt, 30 Jahre nach „Disco Club“ gibt es die neue Platte „Eight oh Eight“, die als letzter Teil der BDDC-Trilogie gilt. Wem das zu kompliziert und geheimnistuerisch ist: Die sechs neuen Tracks klingen volumig, housig, spacig, balearic, retro-atmosphärisch und passen wunderbar zum Discorevival mit Protagonisten wie Hercules and Love Affair. ◊ ◊ ◊
The Bug: London Zoo Für die einen ist der Londoner Producer Kevin Martin alias The Bug eine veritable Nervensäge, für die anderen ein unerschrockener Style-Mixer. The Bug konnte jedenfalls schon die Einstürzenden Neubauten, Grace Jones, Primal Scream oder Radioheads Thom Yorke auf seine Seite ziehen und durfte Remixe für die Genannten anfertigen. Auf „London Zoo“, erschienen bei Ninja Tune, mixt The Bug erneut tausend Stile, jongliert mit Grime, HipHop, Dancehall, Ragga, Dubstep und vielen anderen Zutaten. Gastauftritte von Ricki Ranking, Warrior Queen und anderen machen aus „London Zoo“ einen gleichermaßen anstrengenden wie anregenden urbanen Trip. The Bug scheint zuweilen selbst von seiner Arbeitsweise gestresst zu sein, gleich im Opener ertönt die vieldeutige Zeile „So many things that make me angry /so many things that make me mad...“ ◊ ◊ ◊
Silk Pearls 2 In Sven Väths Frankfurter Renommierclub Cocoon befindet sich neben dem eigentlichen Club das mit Guide-Michelin-Sternen dekorierte Restaurant Silk. Küchenchef Mario Lohninger arbeitet an einer offenen Theke, damit das distinguierte Publikum kontrollieren kann, ob die Krebse auch wirklich lebend ins Kochwasser gekippt werden – wem das zu aufregend ist, darf sich auf den bequemen Stühlen des Silk zurücklehnen und der eigens für diese Location zubereiteten Musik lauschen. DJs wie Spy vs. Spy, Stefan X und Eastenders köcheln chillige Sounds auf kleiner Flamme, emulgieren entspannte Dubs mit sanften Vocals und würzen das Ganze mit einer Prise Indian Vibes. Der Erfolg gibt Küchenchef und -DJs recht, mit „Silk Pearls 2“ erscheint bereits das zweite Doppelalbum der Reihe, frisch abgemischt zum Gleichessen. ◊ ◊ ◊ Bonustrack: Hatten wir im letzten „Club“ zwar schon, aber wegen des großen Erfolges hier nochmal Elektro Willi und Sohn, diesmal aus der Sicht von Crauss:
Elektro Willi und Sohn: Diamanten Das Cover: ein Kirmesbudenmann und ein erschreckter Teenager. Die Musiker etwa? Sie versprechen jedenfalls nichts Falsches, gleich der erste Track des Elektro Willi und Sohn’-Debuts („Das Knacken in der Rille“) ist vorzüglichste Kirmesmusik. „Nun halt dich fest,“ singspricht der für lyrics/ vocals verantwortliche Daniel Ketteler (Sohn), und die Fahrt geht in einem derart flottem Stampf ab, dass Bumpin’ Jack Flash und andere 70er Jahre Protagonisten neidisch geworden wären. Dass Stampf nicht dumpf ist, beweist der Text: „du bist das Knacken in der Rille/ das Organum meiner Planung/ bist der Knopf an meinem Kittel/ bist mein Verbum – ich Artikel.“ Intellektuell und technoid die ganze Scheibe, nie aber bloß plump, wofür dem Produzenten Ernst Wawra (Elektro Willi) zu danken ist. Programmatisch und treibend mein Sommerfavorit „Autoscooter“ („Ohne Helm geh ich nie aus dem Haus/ geradeaus/ geradeaus/ wie mir die Sinne stehen“), mit großen Kopfhörereigenschaften andererseits „Alle Fitzen rein“ und der Titeltrack „Diamanten“. Und wenn der Sohn „du hast mir Töne in mein Haar geschmiert/ doch meine Kopfhaut ist rasiert“ singt, macht Willi aus der Musik eine lauthalse Gummizelle, in der man sich vor lauter Vergnügen hin und her werfen möchte. Zum Entspannen gibts danach einen „Duftbüttel“. Das Aachen/Zürcher Duo zaubert garantiert jedem kühlen Kopf einen Sommer zwischen die Ohren und hat beileibe keine „Luft in den Zehen“, sondern hoffentlich eine enorme Spaßkarriere vor sich. (Zuerst bei Titel-Magazin.de erschienen.) |
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