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Dieser Club besticht durch enorme stilistische Vielfalt und eine zufällige Häufung des Begriffs "schwarz" - dance it black mit Dapayk & Padberg, Henrik Schwarz, Tiefschwarz, Ewan Pearson, MAW, Guts und AIFF.
Dapayk & Padberg: Black Beauty
(Mo's Ferry Productions/Word and Sound/Rough Trade)
Beim Elektronikduo Dapayk & Padberg nicht auf Eva Padberg und ihre berühmte Topmodel-Identität einzugehen, ist so gut wie unmöglich. Frau Padberg lächelt von unzähligen Plakaten und ist eins der wenigen deutschen Models von Weltruhm. Aber Dapayk & Padberg ist kein Hobby-Renommierprojekt eines unausgelasteten Mannequins, das durch Nebenbeschäftigung Credibility erhaschen will, weit gefehlt: gemeinsam mit ihrem Gatten, dem Producer Niklas Worgt arbeitet Padberg seit Jahren zusammen, 2005 erschien das Album „Close Up“, das sie einer interessierten Menge bekannt machte, europaweite Clubauftritte festigten ihren guten Ruf. Mit „Black Beauty“ legen die beiden eine erstaunliche Platte vor, die im Titel der guten alten schwarzen Vinyl-Scheibe huldigt, die zu Dapayk & Padbergs Bedauern kaum noch eine Rolle spielt. "mp3 is killing the black beauty …" ist auf der myspace-Seite von Dapayk & Padberg zu lesen, sie wollen der rein konsumistischen Haltung vieler DJs und Fans die Liebe zur Musik (und nicht nur zum klingeltonträchtigen Track) entgegensetzen. Der Grundton auf „Black Beauty“ ist tanzbarer, warmer Minimal ohne dessen Strenge und Beschränkungen. Dapayk & Padberg haben keine Angst vor Popappeal, auch der Einsatz von Eva Padbergs sanfter Stimme als eigenständiges Instrument unterscheidet sie von vielen anderen Elektroacts. Beim organisch pulsierenden und puckernden „Sister“ und „Make it Up“, das mit Handclaps und zögernden Beats startet, wird Padbergs Stimme bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Frau Padberg ist nicht ausschließlich zu hören, Gastsänger Caro verbreitet sonnigen House-Flair auf „Island“. Der Opener „Doerti“ ironisiert den Umgang mit Sexismen, Padberg haucht “say something dirty, just make it dirty a bit ….” und man kann sich lebhaft vorstellen, daß ihre Erfahrungen als Model in diesen Track mit eingeflossen sind. „Black Beauty“ ist in all seiner unprätentiösen Zurückhaltung eins der abwechslungsreichsten Elektroalben dieses Herbstes – „As You Please“ bringt den deepsten Bass, den man zur Zeit hören kann, die Beats des Drogentracks „Khes“ eiern eindrucksvoll aus der Bahn und „Skits Pantomime Horse“ ist ein Ausflug in Drum'n'Bass-Gefilde mit nachtschwarzen Vocals – Black Beauty eben.
» myspace.com/dapayk
» www.mosferry.de
AIFF: Afro Soul System
(Unique/Groove Attack)
Die vier Buchstaben AIFF stehen für Afro Influenced Funk Federation und selten drückte ein Bandname besser aus, worum es musikalisch geht – Afro Influenced Funk ist genau das, was die bisher nur als Studioprojekt zusammenspielenden Musiker um den holländischen DJ und Produzenten Phil Martin (The Jazzinvaders) und Ton van der Kolk liefern. Die beiden lieben Oldschool-Funk, Jazz, Soul, HipHop und Reggae und beschlossen vor einigen Jahren, mit jungen Musikern eine moderne Funk-Spielart zu entwickeln, die sich gleichzeitig auf alte, in erster Linie schwarze Wurzeln beruft. Afro-Funk ist undenkbar ohne die Legende Fela Kuti, dessen Geist hör- und spürbar durch „Afro Soul System“ tanzt. AIFF legen fette Funkbläser über jazzig-frickelnde Gitarren und entwickeln einen hypnotischen „endless groove“ voller Wärme und Tiefe. GastsängerInnen wie Linda Bloemhard, Crucial T. und Travis Blaque verleihen den Tracks zusätzliche Authentizität.
» myspace.com/aiff
» www.unique-rec.com
Guts: Le Bienheureux
(Wax On/Nova Media)
Das Album „Le Bienheureux“ vom französischen Producer, Mixer und DJ Guts ist die erste „lange“ Veröffentlichung von Wax On Records. Wax On wurde von Nightmares-on-Wax-Labelchef George Evelyn a.k.a. DJ E.A.S.E. gegründet und verspricht schon jetzt nur das Allerbeste, wenn man „Le Bienheureux“ als Maßstab nimmt. Der umtriebige Pariser Multitasker Guts tauchte in den frühen neunziger Jahren als Mitglied der französischen HipHopper Aliance Ethnik auf, außerdem produzierte er Kollegen wie Passi und Les Sages Poetes de la Rue. Frankreich wurde – in musikalischer Hinsicht – Monsieur Guts bald zu klein, er zog nach New York, um dort mit namhaften Producern wie Bob Power (A Tribe Called Quest) zusammenzuarbeiten. Aus derlei Kooperationen entwickelten sich weitere Kontakte, Mixaufträge für De La Soul, Common und Biz Markie verschafften Guts ein immer größeres Standing. Guts ruhte sich jedoch nicht auf seinen Big-Apple-Lorbeeren aus, es zog ihn in die Welt, Aufenthalte in Senegal und Jamaika erweiterten seinen musikalischen Horizont und lassen seine Tracks heute so global und abwechslungsreich klingen. Guts mixt Oldschool-HipHop von KRS-One bis Public Enemy mit Easy Listening-Tunes, Reggae und französischen Chansons zu einer optimistischen, verschmitzten, tanzbaren Bouillabaisse. Spätestens beim Hit der Platte „And the Living is Easy“ mit seinem lässigen Groove und den jamaikanischen Trompeten fühlt man sich wie Guts: bienheureux, ganz einfach glücklich!
» www.wax-on.net
» myspace.com/gutslebienheureux
Ewan Pearson: Piece Work (!K7)
Das Doppel-CD-Album „Piece Work“ des britischen Produzenten, Remixers, DJs, Autors und Philosophen mit Lehrauftrag (!) Ewan Pearson ist alles andere als Stückwerk oder Akkordarbeit, womit sich der Titel „piece work“ auch übersetzen ließe. Vielmehr erschafft der in Berlin lebende Pearson einen bunten Quilt (siehe Cover), in dem Pop und Dance so trickreich miteinander vernäht sind, daß sich eine wunderbar funktionierende Symbiose ergibt – wo hört Pop auf und wo beginnt der Clubsound? Das spielt bei Pearson keine Rolle, er feiert den Song, den Track, die Stimmen und die Melodien. Viele der von ihm produzierten Bands und Solokünstler wie The Rapture und Ladytron tauchen auf „Piece Work“ wieder auf, dazu kommen Remixe der Hits von Mocky, Moby, Röyksopp, Pet Shop Boys, Goldfrapp, Depeche Mode, Franz Ferdinand und vielen anderen. Pearson liebt den Popsong, er findet in jedem Track die charakteristische Hookline, eine Bassfigur, die er weiterverfolgt, ausarbeitet, verfeinert. Seine Mixarbeit drückt den Songs nichts auf, er läßt die Originale atmen, sich entwickeln – und fügt fließende Housebeats oder auch harten Elektro hinzu. Ein großartiges Album, für das die Bezeichnung „Remixplatte“ viel zu niedrig gestapelt ist.
» ewanpearson-piecework.com
Henrik Schwarz: Live (!K7)
Wer sein DJ-Set mit Sun Ras „Lullaby for Realville“ beginnt, beweist Mut und Geschmack. Beides Eigenschaften, die auf Henrik Schwarz, der durch sein famoses DJ-Kicks!-Album zum Dance-Liebling des Jahres 2006 avancierte, unbedingt zutreffen. Nicht zuletzt, weil Jazz, Soul und Techno die drei Grundelemente sind, aus denen sich Schwarz' musikalische Basis speist; ein Set der Detroiter Technolegende Jeff Mills wurde ihm zur Epiphanie, Henrik Schwarz hörte in Mills' Plattenauswahl „puren Jazz“ und wußte von diesem Zeitpunkt an, daß er auch so arbeiten wollte. Schwarz' DJ-Sets sind faszinierende Trips durch für die Dancefloors eher ungewöhnliche Genres. So mixt er treibenden Afro-Funk („Kalimba Dance“), Scat-Jazz mit Bluesuntertönen („Leave My Head Alone Brain“) und Acid-Frickeleien („Jimis“), featuret Mari Boines „Vuoi Vuoi“ und Mandrills „Mango Meat“, verneigt sich vor James Brown („It's A Man's World“) und Boy George, der bei Dark Globes „Atoms“ zu hören ist. Trotz aller anspruchsvollen Volten überfordert Schwarz sein Publikum nicht, er legt unvorhersehbare Spuren, die den Flow nicht stören, sondern unterstützen. Sein „Live“-Album besteht aus Material, das Schwarz bei seinen Sets in Tokio, Berlin, Chicago, Manchester, Madrid, Darmstadt, Istanbul, London aufgezeichnet hat. Clubenergie der ganzen Welt fließt in „Live“ ein und beweist, daß Jazz ganz eindeutig Tanzmusik ist!
Henrik Schwarz Live:
18.10.07 Berlin, SAE Event
1.12.07 Offenbach, Robert Johnson
Strictly Tiefschwarz
(Strictly Rhythm/edel)
Strictly MAW
(Strictly Rhythm/edel)
Von Henrik Schwarz ist es – jedenfalls dem Nachnamen folgend – nur ein kurzer Weg zu Tiefschwarz, den Stuttgarter Brüdern Alexander und Sebastian Schwarz. Die beiden Minimal- und Houseexperten gehören zu den ersten Acts, die auf dem wiederbelebten legendären Strictly-Rhythm-Label veröffentlicht werden. Strictly Rhythm wurde 1989 vom New Yorker Unternehmensberater (!) Mark Finkelstein gegründet, der sich nach eigenen Aussagen für Housemusic überhaupt nicht interessierte. Da er aber über Erfahrungen als Geschäftsführer eines Plattenlabels verfügte, nahm er den Rat einer Bekannten an, die ahnte, dass House das nächste große Ding werden würde: Strictly Rhythm war geboren. Dafür, dass sich Finkelstein mit House und Dance kaum auskannte, bewies er ein extrem geschicktes Händchen bei der Auswahl der Acts, die er für Strictly Rhythm unter Vertrag nahm. Reel 2 Reels „I Like to Move it“ und „Free“ von Ultra Naté sind nur zwei der unzähligen Houseclassics, die unter Finkelsteins Regie erschienen. Zu den erfolgreichsten DJs gehörten Louie Vega und Kenny Dope, die als Masters at Work (MAW) reüssierten und souligen, warmen, lebensfrohen House erfolgreich unters Volk brachten, als alle Welt auf Techno abfuhr. 2002 wurde Strictly Rhythm von Warner, unter deren Dach das Dancelabel inzwischen gelandet war, begraben. Mittlerweile gelang es Ex-Inhaber Finkelstein, die Rechte an seinen Acts zurückzukaufen, peu á peu will er den Backkatalog wiederveröffentlichen, der deutsche Vertriebspartner ist Motor Music. Tiefschwarz mixen auf „Strictly Tiefschwarz“ ausgewählte rare Strictly Rhythm-Tracks, die die beiden für ihre eigene Arbeit beeinflußten: DJ Pierres „Muzik“ ist darunter, „Trippin'“ von den Untouchables und – essentiell und hymnisch - „Dance to the Rhythm“, ebenfalls von den Untouchables. Gleich ein Doppelalbum ist „Strictly MAW“ geworden: Kenny Dope und Louie Vega dürfen je eine CD lang mixen, was das Zeug hält – und das Zeug ist nur aus bestem Material gemacht: Kenny Dope steht besonders auf Barbara Tucker, Black Magic, Underground Solution und sich selbst; Louie Vega läßt mit Ultra Naté, Krimp, The Boss, Armand van Helden und vielen anderen selige House-Zeiten wieder aufleben.
» www.strictly.de