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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen





27.07.2003

Lyrik.Log
Die wöchentliche
Gedichtanthologie
(2003-2005).
Herausgegeben
von Ron Winkler.

99: Oswald Egger
98: Arne Rautenberg
97: Achim Wagner
96: Uljana Wolf
95: José F.A. Oliver
94: Maik Lippert
93: Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki
92: Kurt Drawert
91: Holger Benkel
90: Brigitte Fuchs
89: Uwe Tellkamp
88: Tobias Grüterich
87: Uwe Kolbe
86: Clemens Kuhnert
85: Gerhard Falkner
84: Franzobel
83: Wojciech Izaak Strugala
82: Lutz Rathenow
81: Iain Galbraith*
80: Nicolai Kobus
79: Jürgen Theobaldy
78: Rainer Stolz
77: Wilhelm Bartsch
76: Nico Bleutge
75: Mikael Vogel
74: Raphael Urweider
73: Eberhard Häfner
72: Andrej Glusgold
71: Joachim Sartorius
70: Björn Kuhligk
69: Christopher Edgar*
68: Crauss
67: Denise Duhamel
66: Richard Pietraß
65: Norbert Hummelt
64: Nikola Richter
63: Richard Dove
62: Volker Sielaff
61: Günter Kunert
60: Hendrik Rost
59: Lydia Daher
58: Thomas Böhme
57: Florian Voß
56: Franz Hodjak
55: Adrian Kasnitz
54: Marcel Beyer
53: Steffen Brenner*
52: Rotraud Sarker
51: Sabina Naef*
50: Morten Klintø*
49: Renatus Deckert
47: Jan Wagner
46: Emma Lew
45: Gintaras Grajauskas
44: Matthias Göritz
43: Paulus Böhmer*
42: Birte Wolmeyer
41: Christian Lehnert
40: Daniela Danz
39: Hauke Hückstädt
38: Ilma Rakusa
37: Gerald Fiebig
36: Anna Hoffmann
35: René Hamann
34: Oskar Pastior*
33: Tom Schulz
32: Monika Rinck*
31: Mirko Bonné
30: Said
29: Daniela Seel
28: Olga Martynova
    » Internodium
27: Helwig Brunner*
26: Lutz Seiler
25: Ulf Stolterfoht
24: Nick Riemer
23: Elke Erb
22: William Stone
21: Daniel Falb
20: Raoul Schrott*
19: Ulrike Draesner*
18: Stan Lafleur
17: Silke Scheuermann
16: Jörg Schieke
15: Jan Volker Röhnert
14: Marion Poschmann*
13: Anne Beresford*
12: Lars-Arvid Brischke
11: Bert Papenfuß
10: Volker Braun
09: Cornelia Schmerle
08: Guy Helminger
07: Michael Hamburger*
06: Hartwig Mauritz
05: Jürgen Nendza
04: Maren Ruben
03: Frans Budé
02: Friederike Mayröcker*
01: Andreas Altmann*


* mit Anmerkungen

Die Rechte an den Texten liegen, soweit nicht anders gekennzeichnet, bei den jeweiligen Autoren. (Betrifft den Zeitpunkt der Veröffentlichung)







Lyrik.Log 27



Helwig Brunner

wir, kielwassernd

das war auch schon höchste
Zeitlichkeit, das war schon
fast gestern, fast vorüber,

verdacht und ausgesäumt,
heute kommt es manchmal
hoch und fast nichts mehr ist

noch so blickdicht, wasserge-
dichtet, wie wir da hinkend
saßen in unserem Tretboot



Helwig Brunner
geboren 1967. Veröffentlichte vier Gedichtbände, zuletzt Gehen, schauen, sagen (Steirische Verlagsgesellschaft, Graz 2002) und Aufzug oder Treppe (Grasl Verlag, Baden bei Wien 2002). Redakteur der Grazer Literaturzeitschrift Lichtungen.


Ron Winkler schreibt über das Gedicht:

niemand wird ernsthaft bestreiten wollen, dass es sich bei hinkendem Sitzen um eine mindestens unerquickliche Angelegenheit handeln muss.
Helwig Brunner hat diese Verrichtung aufgesucht, hat ihre quirlige Veteranität als Gischt auf die letzte Woge eines Gedichtes gehoben, das schon im ersten Wellenbogen des Titels deutlich auf den Charakter des darunter liegenden Gewässers verweist. das Wir jener inspizierten (und zugleich durch die Inspektion erst erzeugten) Situation strampelt leidlich in der Spurrinne der »Zeitlichkeit«. es kielwassert vor sich hin, wenn auch leicht und nur im übertragenen Sinn, aber das ist zunächst die ganze Existenz.
und diese Existenz hat sich ein Tretboot geschaffen bzw. verschafft. auch das, mit dem ironischen Zwinkern des Dichters versehen, eine hohe Form, eine »höchste Zeitlichkeit« – die Hoffnung in der Zeit, dass die Zeit vor der Hoffnung »schon fast gestern« sein möge.
aber über die Ausmaße des Saums zwischen Realität und Hoffnung lässt sich nicht leicht verfügen. aus ihm fransen Erinnerungen in die oft ganz anders gestellte (hinkend sitzende) Gegenwart hinein. eben noch »ausgesäumt«, kommt sogleich die Histoire auf, der man (doch) entschwommen zu sein meinte. – »blickdicht«: voller Blicke, Blickvermögen und Blickhemmung. und getauft in einer enthinkten Mentalität, die manchmal eine deutliche Melancholie mit sich führt.