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02.05.2004 Lyrik.Log Die wöchentliche Gedichtanthologie (2003-2005). Herausgegeben von Ron Winkler. 99: Oswald Egger 98: Arne Rautenberg 97: Achim Wagner 96: Uljana Wolf 95: José F.A. Oliver 94: Maik Lippert 93: Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki 92: Kurt Drawert 91: Holger Benkel 90: Brigitte Fuchs 89: Uwe Tellkamp 88: Tobias Grüterich 87: Uwe Kolbe 86: Clemens Kuhnert 85: Gerhard Falkner 84: Franzobel 83: Wojciech Izaak Strugala 82: Lutz Rathenow 81: Iain Galbraith* 80: Nicolai Kobus 79: Jürgen Theobaldy 78: Rainer Stolz 77: Wilhelm Bartsch 76: Nico Bleutge 75: Mikael Vogel 74: Raphael Urweider 73: Eberhard Häfner 72: Andrej Glusgold 71: Joachim Sartorius 70: Björn Kuhligk 69: Christopher Edgar* 68: Crauss 67: Denise Duhamel 66: Richard Pietraß 65: Norbert Hummelt 64: Nikola Richter 63: Richard Dove 62: Volker Sielaff 61: Günter Kunert 60: Hendrik Rost 59: Lydia Daher 58: Thomas Böhme 57: Florian Voß 56: Franz Hodjak 55: Adrian Kasnitz 54: Marcel Beyer 53: Steffen Brenner* 52: Rotraud Sarker 51: Sabina Naef* 50: Morten Klintø* 49: Renatus Deckert 48: Roza Domascyna 47: Jan Wagner 46: Emma Lew 45: Gintaras Grajauskas 44: Matthias Göritz 43: Paulus Böhmer* 42: Birte Wolmeyer 41: Christian Lehnert 40: Daniela Danz 39: Hauke Hückstädt 38: Ilma Rakusa 37: Gerald Fiebig 36: Anna Hoffmann 35: René Hamann 34: Oskar Pastior* 33: Tom Schulz 32: Monika Rinck* 31: Mirko Bonné 30: Said 29: Daniela Seel 28: Olga Martynova » Internodium 27: Helwig Brunner* 26: Lutz Seiler 25: Ulf Stolterfoht 24: Nick Riemer 23: Elke Erb 22: William Stone 21: Daniel Falb 20: Raoul Schrott* 19: Ulrike Draesner* 18: Stan Lafleur 17: Silke Scheuermann 16: Jörg Schieke 15: Jan Volker Röhnert 14: Marion Poschmann* 13: Anne Beresford* 12: Lars-Arvid Brischke 11: Bert Papenfuß 10: Volker Braun 09: Cornelia Schmerle 08: Guy Helminger 07: Michael Hamburger* 06: Hartwig Mauritz 05: Jürgen Nendza 04: Maren Ruben 03: Frans Budé 02: Friederike Mayröcker* 01: Andreas Altmann* * mit Anmerkungen Die Rechte an den Texten liegen, soweit nicht anders gekennzeichnet, bei den jeweiligen Autoren. (Betrifft den Zeitpunkt der Veröffentlichung) |
Lyrik.Log 64Nikola Richtervertrauensfrage
kiste verkabeln, ankurbeln, anschmeißen,
dritte ins glas, vier gewinnt, fünf ecken hat der siegerstern. die nachrichten kommen durchgekokst wie das amen in der kirche, kommen links und rechts, das kann man, kann man nicht, kann man? auch die haarfarben nicht mehr einzuordnen. gibt es bunte faxapparate? solche fragen tauchen unverschämt und nichtsnutzig auf und das brummen vom kunstherz, pumpt merzkunst: dann kannst du noch drei jahre mehr leben, dann kannst du noch soundsoviele tage mehr leben und mehr erleben und ans meer fahren wie til schweiger in diesem deutschen roadmovie, wo zitronen und tequila aus dem kühlschrank fallen, wo ein poetischer beat zuckt. robben und rollen durch die pampa. und schon denk ich an jack und neil und allan und an die frauen mit diesen tops, die auf dem rücken zusammengehalten werden, pastellfarben die stoffe, der himmel, die erde. alle sind nackt, sitzen in diesem cadillac. ein radio läuft, was für musik läuft da, vielleicht was altes und ganz viel boogie, und ich fange an, überall yeah, yeah hinzukritzeln, auch am telefon sage ich nur noch wow. immer nur WOW, WOW, WOW. eine happyhappy-hysterie. danach ist mir ganz camelkalt, ich starre auf den kanal, der still daliegt, eine gehäutete schlange, handschuhe durchlöchert. hab butter im köcher, doch hier gehts um mehr, genossen und enkel, blut ist dicker als wasser, so ungefähr, es geht um das vertrauen, das in diesem lande verknüpft wird mit lustigen mustern: meine schwester hat braune wolle gekauft, will ihrem freund einen pulli stricken. es gibt zu wenig braun in der welt, sagt die frau im handarbeitsladen, aber passen sie auf: viele mädchen stricken so dinge und wenn sie fertig sind, stehn sie allein da. meine schwester strickt jetzt für sich selber den braunen pulli, der pinke pfeil war zu kompliziert. ihr freund kriegt einen eierwärmer. ich kann überhaupt nicht stricken. nur nicken, vor allem am telefon, wenn es zehnmal klingelt, die schnur eine hundeleine, die männerstimme gefällt sich als hundezüchter am liebsten. male mir schwarze zeichen ins gesicht, hier, so und so, das geht nur ab mit fettcreme, hast du fettcreme, fragt der züchter dann, durchwühlt meine sachen, wie siehst du denn aus, hast du fettcreme, ich habe aber keine und gehe ausgezeichnet ins bett. er schreibt sich auf die brust: dein großvater war ein nazi, ich fange an zu brüllen: beleidige nicht meine familie. er lacht und ich zerreiße den stammbaum. versöhnung und vertrauen sind auf dieser basis unmöglich, das weiß auch ein hinterbänkler. da muss man durch, da schiebt man alles durchs nadelöhr und betet eine kleine weile, gut, dass der kompass durchgeschüttelt werden kann. wir machen uns die geographie ganz einfach selbst, zunehmend sechs, südsüdost. flackernde bilder, die wir sehen, sind wüsten, sind selten küsten, sind fußballer. und die kinder mit spaten und schaufel sind eindeutig lokalisierbar. nur er ist nicht lokalisierbar. er hat immer nur seine mailbox an, wie soll man ihn da erreichen. seine mails liest er auch nicht. er zieht andauernd um. da geht er in der welt verloren wie nix. ich hab nur zwei fotos von ihm, mit denen mach ich fahndung. kopfgeld auf seinen bart, sein lächeln und sein pferd. wenn ihr ihn seht, tot oder lebendig, sagt mir doch bescheid, sein pferd ist rassig, das will ich nicht. ich hätte lieber den esel, den ihm seine eltern in einer windigen nacht zugeschoben haben. wurde leider wurst draus. und ein trauma. schnellschnell die hände in die luft geworfen, durchgeatmet, reflexzonen massiert. auf zum dauerlauf. zum hanteltraining. zum repräsentieren von waffeln und anderem gewölk. das schweizereisen springt automatisch auf, hat einen hitzeerkennungsmesser und betet schnurlose psalmen zum himmel. schüssschüss. ich stell mal die nebelmaschine an. Nikola Richter geboren 1976, lebt in Berlin. Vor kurzem erschien ihr erster Gedichtband roaming (Lyrikedition 2000, München 2004).
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