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09.03.2003 Lyrik.Log Die wöchentliche Gedichtanthologie (2003-2005). Herausgegeben von Ron Winkler. 99: Oswald Egger 98: Arne Rautenberg 97: Achim Wagner 96: Uljana Wolf 95: José F.A. Oliver 94: Maik Lippert 93: Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki 92: Kurt Drawert 91: Holger Benkel 90: Brigitte Fuchs 89: Uwe Tellkamp 88: Tobias Grüterich 87: Uwe Kolbe 86: Clemens Kuhnert 85: Gerhard Falkner 84: Franzobel 83: Wojciech Izaak Strugala 82: Lutz Rathenow 81: Iain Galbraith* 80: Nicolai Kobus 79: Jürgen Theobaldy 78: Rainer Stolz 77: Wilhelm Bartsch 76: Nico Bleutge 75: Mikael Vogel 74: Raphael Urweider 73: Eberhard Häfner 72: Andrej Glusgold 71: Joachim Sartorius 70: Björn Kuhligk 69: Christopher Edgar* 68: Crauss 67: Denise Duhamel 66: Richard Pietraß 65: Norbert Hummelt 64: Nikola Richter 63: Richard Dove 62: Volker Sielaff 61: Günter Kunert 60: Hendrik Rost 59: Lydia Daher 58: Thomas Böhme 57: Florian Voß 56: Franz Hodjak 55: Adrian Kasnitz 54: Marcel Beyer 53: Steffen Brenner* 52: Rotraud Sarker 51: Sabina Naef* 50: Morten Klintø* 49: Renatus Deckert 47: Jan Wagner 46: Emma Lew 45: Gintaras Grajauskas 44: Matthias Göritz 43: Paulus Böhmer* 42: Birte Wolmeyer 41: Christian Lehnert 40: Daniela Danz 39: Hauke Hückstädt 38: Ilma Rakusa 37: Gerald Fiebig 36: Anna Hoffmann 35: René Hamann 34: Oskar Pastior* 33: Tom Schulz 32: Monika Rinck* 31: Mirko Bonné 30: Said 29: Daniela Seel 28: Olga Martynova » Internodium 27: Helwig Brunner* 26: Lutz Seiler 25: Ulf Stolterfoht 24: Nick Riemer 23: Elke Erb 22: William Stone 21: Daniel Falb 20: Raoul Schrott* 19: Ulrike Draesner* 18: Stan Lafleur 17: Silke Scheuermann 16: Jörg Schieke 15: Jan Volker Röhnert 14: Marion Poschmann* 13: Anne Beresford* 12: Lars-Arvid Brischke 11: Bert Papenfuß 10: Volker Braun 09: Cornelia Schmerle 08: Guy Helminger 07: Michael Hamburger* 06: Hartwig Mauritz 05: Jürgen Nendza 04: Maren Ruben 03: Frans Budé 02: Friederike Mayröcker* 01: Andreas Altmann* * mit Anmerkungen Die Rechte an den Texten liegen, soweit nicht anders gekennzeichnet, bei den jeweiligen Autoren. (Betrifft den Zeitpunkt der Veröffentlichung) |
Lyrik.Log 7Michael HamburgerBuchhecke im WinterVerkrampfte Wurzeln, verkrüppelte Zweige, Wo immer ein noch so kleiner Lichtstrahl Ihren Körper ungebrochen erreicht, Überlebt sie die Pyramidenpappel, Die alles andere überragend, Hier gepflanzt und frei stehend, Niedergefegt wurde durch Wirbelsturm. Nun den Lebenden eine verkümmerte Obhut, Den Sprösslingen Schutz, Bewahrt sie das Stück Land als Garten. Zeigt ihre Ausrisse, gehöhlte, Noch in niesligem, düsterem Licht, Jüngeres Immergrün schwärzlich, Matt der Wiese ausdauerndes Gras, Ihre Dunkelheit glüht, prächtig, Ohne die Aussicht zu verstellen, Ruhe- Punkt für Augen, auch alte, Ein unauslöschbares Rot Gespeichert in ihren toten Blättern, Bis das Knospen das Welke verstößt; Ein weiteres Mal sie in Form zu schneiden Wird die Verfallslücken schließen. Beech Hedge In WinterRoots cramped, boughs crippled, Wherever minimal rays Could reach its mass unbroken, It outlives the Lombardy poplar, Most towering of the tall That, planted here, stood free – Laid low by hurricane. Now stunted nurse to the hale, Shelter to progeny, Keeps what remains a garden. Showing extractions, holed, Still in drizzle, drabbest light, Younger evergreens blackish, Matt the lawn’s perennial grass, Brightly its darkness glows, Barring no vistas, focus For eyes as old, A red unquenchable Retained in its dead leaves Till the budding push out the brittle; And, cut once more into shape Will close the gaps of decay. Michael Hamburger geboren 1924 in Berlin, lebt seit 1933 in England; heute bei Saxmundham, Suffolk. Der Lyriker und Essayist unterrichtete an englischen und amerikanischen Universitäten und übersetzte Büchner, Celan, Enzensberger, Goethe, Grass, Hölderlin, Huchel, Rilke und Trakl. Auf deutsch erschienen zuletzt die Gedichtbände Die Erde in ihrem langen langsamen Traum (1994), Traumgedichte (1996, zweisprachig), Baumgedichte (1997, zweisprachig; jeweils bei Folio Wien/ Bozen) sowie die Sammlung Unteilbar. Gedichte aus sechs Jahrzehnten (Hanser 1997). Das hier vorgestellte Gedicht übersetzten Ron Winkler und Christiane Wohlrab. Helwig Brunner schreibt über das Gedicht: Eine Rotbuchenhecke, zurechtgekrüppelter Lebendzaun, irgendwo in Englands winterlich vernieselten Gassen. Wie jenes private Stück Land hinter sich, den Garten, den ihr sparriges Zweigwerk einfriedet, schützt sie Sprösslinge (man vermutet das fleischige Keimblattoval der Jüngstbuchen) im etwas begünstigten Kleinklima ihres kümmerlichen Innenraums.
Die Hecke, niedrig und schütter, verstellt keine Aussicht, drängt sich nicht vor. Aber ihr nasses Totlaub hält dem düsteren Licht sein Rot entgegen, markiert und wärmt den Sammelpunkt, in dem auch und gerade der gealterte Blick gerne ruht. Sein Sinngewicht, das solche Ruhe rechtfertigt, gewinnt das Gesehene durch das Stück Lebenszeit, das zwischen den ersten und letzten Versen ausgespannt ist – zwischen dem Fall der nahen Pyramidenpappel, die ein Sturm umlegte, und dem Lückenschluss, der nicht nur Entfaltung der neuen Knospen und Vervollkommnung der Form bedeutet, sondern ungesagt doch unvermeidlich schon bald den Sprösslingen ihr Licht nehmen wird. Hamburgers Gedicht wird nicht durch hymnische Inszenierung, sondern durch die schlichte Achtsamkeit des Blicks zum Lobgesang und leisen Drama. So sachlich die Beschreibung sich gibt, atmet sie doch Vergänglichkeit und Zufluchtsuche. Was an Menschlichem aus der winterlich kargen Szene gänzlich ausgespart scheint, kehrt von innen, mit dem Blick des Betrachters, umso nachdrücklicher ins Gedicht zurück. Der Bedeutungsreichtum dieses Mikrokosmos empfiehlt ganz besonders die Parallellektüre der englischen Originalfassung, die manche Gestimmtheit und Mehrstimmigkeit für sich behält. Noch aus den „gaps of decay“ duftet das modernde Laub unnachahmlich – und unübersetzbar. |
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