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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




7. Oktober 2008
Kirsten Reimers
für satt.org

Mordsmäßig10

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Herrlich bissig und gelungen überdreht

Minck & Minck: abgemurkst. Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben

Maggie Abendroth leidet: Sie hat das Drehbuch für einen „Tatort“ vergeigt, darum ist sie aus der Medienmetropole Köln in ihre Heimatstadt Bochum geflüchtet. Ihre Souterrainwohnung hat einen Wasserschaden, vorübergehend ist die Drehbuchautorin deshalb im Haus eines Freundes untergekommen (in dem im Vorgängerbuch „totgepflegt“ mehrere Personen gestorben sind, darum gibt es „gute Sofas“ und „böse Sofas“). Und schlussendlich hat sie Liebeskummer, denn ihr Ex, Kölner Starfotograf – von Maggie nur „der Knipser“ genannt –, hat ihr das Herz gebrochen.

So liegt sie deprimiert auf dem „guten Sofa“, löst Kreuzworträtsel und futtert Nudeln. Da kommt das Angebot, das ihr ihr Lieblingskommissar Winnie Blaschke – zu Maggies Bedauern schwul und frisch verliebt – macht, nach anfänglichem Grummeln ganz recht: Sie soll Winnies Oma Bertie zur Kur ins hessische Bad Camberg begleiten.

Das entpuppt sich als purer Horror zwischen erdrückender Fachwerkidylle und Kurgastanimation. Lichtblick nach zweieinhalb Wochen – „gefühlten zwei Jahren“ meint Maggie – ist die traditionelle Schnitzeljagd, deren Gewinnerteam ein üppiges Schnitzelessen winkt. Glückhaft ist die Diäterrunde: Oma Bertis Damengang. Doch statt des erhofften Gutscheins für die rustikale Sause findet sich in der Schatzkiste eine abgetrennte menschliche Hand. Männlich, mit gepflegten Fingernägeln.

Maggie ist zunächst überhaupt nicht an den Hintergründen interessiert. Weit aufregender ist ein unerwarteter Anruf aus Köln und die Möglichkeit, als Produzentin einer Comedyserie wieder ins Geschäft zu kommen. Doch diese Chance zerschlägt sich unter höchst dramatischen Umständen. Und nach und nach nimmt sogar Maggie wahr, dass sich die tödlicher Abgänge von Männern in ihrem Umfeld häufen. Oma Berties Damengang ist inzwischen vollständig verwitwet. Aber erst als ein alter Schulfreund ermordet wird und sie unter Verdacht gerät, wird Maggie aktiv.

Es dauert ein wenig, bis die Krimihandlung in die Gänge kommt. Doch das macht wenig, denn die Autorinnen haben eine wunderbare Beobachtungsgabe und ein – beziehungsweise zwei – Händchen für bissige Bemerkungen. Darum bringt es sehr viel Spaß, Maggie in die trügerische Kuridylle und in die Abgründe ihres Alltags- und Liebeslebens zu folgen. Und als die Handlung dann schließlich Fahrt aufnimmt, wird es rasant und furios.

Eigentlich mag ich keine witzigen Bücher – besser gesagt: Ich mag keine Bücher, die sich „witzig und humorvoll“ oder womöglich gar „Comedy“ auf ihre Fahnen und/oder die U4 geschrieben haben. Meist ist das ziemlich schmerzhaft verkrampft. Meist sind die Witze zusätzlich ziemlich ausgelaugt, da reichlich alt. Und die Verbindung aus Krimi und Comedy – fürchterliche Vorstellung.

Eigentlich. Aber dieses Buch ist wirklich eine Ausnahme. Die Autorinnen kommen wie Maggie aus der Film- und Fernsehbranche und haben ein Gefühl für perfektes Timing. Handlung wie Figuren sind in äußerst angenehmer Weise überspannt und überdreht – aber nie zu viel. Nie rutscht es ab in Slapstick und Albernheiten, auch wenn die Kurve manchmal haarscharf genommen wird. Und die Hauptfigur ist sehr sympathisch: selbstmitleidig, egozentrisch, aber auch nicht ausreichend trinkfest, peinlich und hilfsbereit (manchmal).

Der Krimiplot an sich ist nicht wirklich neu, das Konstrukt gab es so oder ähnlich schon mehrfach, aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch. Die Mincks beherrschen ihr Metier so wunderbar, dass es einfach Spaß bringt, dieses Buch zu lesen.



Minck & Minck: abgemurkst.
Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben
Droste Verlag 2008, 348 Seiten, 10,00 €
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