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6. März 2011 | Kirsten Reimers für satt.org |
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6101 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 »Machen bald die Äuglein zu ...«
Stuart MacBride hat das Versprechen, das er in seinem letzten Krimi gegeben hat, gehalten: Das neue Buch spielt im Hochsommer. Aberdeen ist getaucht in Sonnenschein und Hitze. Der Granit glänzt golden in der Sonne. Doch die Sonnenstrahlen lassen die Abgründe der schottischen Stadt nur umso deutlicher hervortreten. Und auch Detective Sergeant Logan McRaes Gemütsverfassung steht im deutlichen Gegensatz zum schönen Wetter: Seit der Serienmörderjagd im letzten Krimi – »Blut und Knochen« (2009) – aus nur zu verständlichem Grund Vegetarier, von Schlaflosigkeit geplagt, überfallen ihn sogar tagsüber Alpträume und Panikattacken. Am liebsten würde er sich nur noch betrinken, um nichts mehr zu spüren. Der einzige Lichtblick in diesem Sommer ist die Stelle eines Detective Inspector, die es neu zu besetzen gilt. McRae hat durchaus Chancen auf diese Beförderung – wenn er nicht allzu viel Mist baut. Eine Chance, sich zu profilieren, bietet der neue Fall, der Aberdeen erschüttert: Jemand schneidet Mitgliedern der polnischen Gemeinde bei vollem Bewusstsein die Augen heraus. Die Opfer überleben die Blendung zwar, wollen aber – starr vor Angst – nicht sagen, wer ihnen das angetan hat. Eine Spur darf DS McRae bis nach Polen verfolgen: Dies bringt ihn nach Nova Huta, einem Stadtteil von Krakau (und hier regnet’s dann auch wieder). Doch statt wirklich hilfreicher Erkenntnisse beschert dieser Dienstausflug dem reichlich angeschlagenen DS vor allem weitere Alpträume. Und zu allem Überfluss rutscht er in eine fatale Zwickmühle. »Blinde Zeugen« (im Original »Blind Eyes« von 2009) ist MacBrides fünfter Krimi um den vom Pech verfolgten DS: Der ist eigentlich recht clever und innerhalb der Gurkentruppe der Aberdeener Polizei einer der wenigen, die etwas hinbekommen. Aber irgendetwas läuft immer quer, sodass für ihn am Ende nur wenige Lorbeeren übrig bleiben. Diesmal steht McRae sich wegen seines Alkoholkonsums und seiner Traumatisierung selbst reichlich oft im Weg. Dadurch gewinnt er endlich etwas mehr Kontur als in den bisherigen Büchern. Überhaupt ist der aktuelle Band insgesamt etwas weniger überzogen und dafür ein bisschen komplexer im Plot: organisierte Kriminalität, pikierte Verbrecherdynastien in Aberdeen, international agierende Killer und blutige Revierkämpfe. Aber keine Sorge: Der Krimi ist immer noch ausreichend überdreht und schwarzhumorig – stets wie die schottische Umsetzung des Dürrenmattschen Diktums, dass eine Sache erst dann zu Ende gedacht ist, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Wie die bisherigen Bücher von Stuart MacBride ist auch dieser Polizeikrimi gleichzeitig seine eigene temporeiche und bildgewaltige Parodie – und nichts für Menschen mit schwachem Magen.
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