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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




31. Januar 2011
Kirsten Reimers
für satt.org

Mordsmäßig60

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Mancher stirbt mehrfach

  »Blut vergisst nicht« von Kathy Reichs
Kathy Reichs:
Blut vergisst nicht

Aus dem amerikanischen
Englisch von Klaus Berr
Karl Blessing Verlag 2010
geb., 384 S., 19,95 €
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Kathy Reichs ist nicht nur Krimiautorin, sondern auch Professorin für Anthropologie an der Universität in Charlotte, North Carolina (USA), und als forensische Anthropologin für das Office of the Medical Examiner in North Carolina sowie für das Laboratoire de Sciences Judiciaires et de Médecine Légale in Montréal tätig. Das spiegelt sich in ihren Krimis wider: Reichs weiß, wovon sie schreibt. Eher unaufgeregt als bluttriefend, sind ihre Beschreibungen von Obduktionen, Knochenanalysen oder Gewebeextraktionen eine detailreiche, aber dennoch meist unterhaltsame Lehrstunde in Anatomie, Forensik, Anthropologie und und und. In ihre Romane fließen Fälle ein, an denen sie mitgearbeitet hat, das macht es oft sehr lebensnah mit einem guten Blick für Zusammenhänge und Hintergründe.

Als externe Beraterin war Reichs auch tätig für das JPAC, das Joint POW/MIA Accounting Command mit Sitz auf Hawaii, dessen Aufgabe die Suche nach Kriegsgefangenen und vermissten Soldaten der Streitkräfte der USA sowie deren Identifizierung ist. In erster Linie geht es um verschollene Armeeangehörige aus dem Zweiten Weltkrieg, dem Koreakrieg, dem Kalten Krieg und den Kriegen in Südostasien. Das bildet den Hintergrund für Reichs neuesten Krimi: »Blut vergisst nicht« (»Spider Bones«, 2010). In dessen Nachwort schreibt die Autorin, sie wollte vermitteln, was sie empfunden hat bei der Identifizierung von Männern und Frauen, »die vor langer Zeit und weit weg von zu Hause im Dienst an ihrem Land umgekommen waren«.

Ein durchaus ehrbares Anliegen. Aber leider auch ein bisschen erzwungen, denn die Umsetzung ist über weite Strecken steif und belehrend, an anderen Ecken wiederum so krampfhaft auf Spannung gebürstet, dass das neue Buch ein wenig zusammengestoppelt und überladen wirkt. Und etwas pathetisch.

Dr. Temperence Brennan, die den gleichen Beruf ausübt wie ihre Schöpferin, hat es diesmal mit einer Wasserleiche zu tun, die aus einem See in der Nähe von Quebec gezogen wird. Offenbar ein reichlich bizarrer autoerotischer Unfall nur wenige Stunden zuvor. Doch die Fingerabdrücke der frischen Leiche gehören zu einem US-amerikanischen Soldaten, der angeblich 1968 in Vietnam gefallen ist und in seinem Heimatort in den USA begraben liegt. Um der Sache auf den Grund zu gehen, werden die sterblichen Überreste exhumiert und beim JPAC auf Hawaii untersucht. Brennan wird als externe Beraterin hinzugezogen.

Die Ermittlungen und Verwicklungen, die sich nun ergeben, schwanken zwischen derart kurzsichtig beziehungsweise offensichtlich, dass man in den Tisch beißen möchte als Ersatzhandlung dafür, dass man die Figuren nicht schütteln kann, damit sie endlich mal die Augen aufmachen. Andere Handlungsstränge sind dagegen so gewollt verworren und mit medizinischen Sonderfällen aufgemotzt, dass man Probleme hat, die tatsächlichen Zusammenhänge zu verstehen. Dazu kommen die üblichen emotionalen Unentschiedenheiten zwischen Brennan und ihrem On/Off-Lover Detective Ryan, die inzwischen auch nur noch ermüden.

Ganz offenbar ist die Luft raus aus Reichs Temperence-Brennan-Krimis. Das ist sehr schade, denn sie waren wirklich gut: sorgfältig recherchiert, den Blick über den Krimirand hinauswerfend, mit Bedacht in der Gegenwart angesiedelt und spannend ohne größere Effekthascherei. Doch der aktuelle Band, immerhin der 13. der Serie, kann damit leider nicht aufwarten.