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17. Oktober 2010 | Kirsten Reimers für satt.org |
5401 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 »Da darf man beim Erzählen nicht lang fackeln« – Interview mit Max Bronski Seit 2006 erscheinen im Münchner Verlag Antje Kunstmann die Krimis von Max Bronski. Wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Jeder Kontakt zum Autor geht ausschließlich über den Verlag, der nicht das winzigste Bisschen Information herausgibt. Im März wurde mit dem vierten Krimi, »Nackige Engel«, die Tetralogie um den schlagkräftigen Trödelhändler Wilhelm Gossec abgeschlossen, im September werden alle Bronski-Krimis gesammelt als Hörbuch veröffentlicht. Per E-Mail erhielt Kirsten Reimers folgende Antworten auf ihre Fragen. ◊ ◊ ◊ Reimers: »Nackige Engel« ist Ihr vierter Krimi, der wie die anderen in München spielt und nur dort spielen kann. Was fasziniert Sie so an dieser Stadt? Bronski: Also, dass München mich faszinieren würde, davon kann überhaupt keine Rede sein. Ich arbeite mich an dieser Stadt ab, ich bin ihr in tiefer Hass-Liebe verbunden, wie normalerweise nur der Wiener seiner Stadt. In jedem meiner Romane lässt sich Gossec zu richtigen Tiraden über München hinreißen. Würde ich als Bronski sofort unterschreiben. In den »Nackige Engel« heißt es dazu: »Du darfst dir München nicht als bloßen Ort denken, sondern als geistige Verfassung.« Eine geistige Verfassung, in der sich das Träumerische fortwährend mit dem Realen vermischt. Du kannst in München die Akropolis nachbauen. Du kannst Kanäle durch die Stadt brechen, bloß weil du von Nymphenburg nach Schleißheim fahren möchtest, mit dem Boot natürlich. Und mögen täte man noch viel, viel mehr. Dieses »viel mehr« schafft einen permanenten Überdruck, der München unter einem ständig geschwollenen Hirn leiden lässt. Dieses geschwollene Hirn ist auch noch eingesperrt in eine provinziell enge Kalotte des bayrischen Umlands. Nun ist es nicht so, dass jeder Wahnsinn diesem Schwollschädel entspringen würde, aber wenn er erst mal in der Welt ist, dann findet er in München das richtige Reizklima, um auch gedeihen zu können. So, das ist München. Reimers: Wilhelm Gossec ist die münchnerische Variante des Anti-Helden im Krimigenre: Schläge austeilend und einsteckend, mit hohem moralischem Anspruch, unbedingt und unbestechlich nach Gerechtigkeit strebend. Warum passt der so gut nach München? Bronski: Überhaupt keine Frage: Gossec ist ein Anti-Held. Und damit, finde ich, passt er nicht nur gut, sondern geradezu prototypisch nach München. Warum? Also erst mal hat es bei uns schon immer ungeschlachtete Kraftkerle zuhauf gegeben. Ich denke jetzt mal an einen wie Oskar Maria Graf. Dazu kommt eine Münchner Grundmentalität, die für Anti-Helden, wie ich finde, unerlässlich ist. Dass sie zwar viel wollen, aber verdammt wenig auf die Reihe kriegen. Bei uns geht es ja gut katholisch zu. Das heißt: Hauptsache deine Absichten sind edel und gut; bei den Taten, na ja, Schwamm drüber. In die Hosen geht schneller mal was. Man ist ja nicht nur Held, sondern eben auch Mensch. Reimers: Anders als Philip Marlowe, mit dem Ihr Trödler mitunter verglichen wird, kommt Gossec nicht ohne Freunde und Helfer aus. Funktioniert die Figur des einsamen Suchers, der die Last der Welt auf seinen Schultern trägt und seinen Kummer in Whiskey respektive Weißbier ertränkt, überhaupt noch? Bronski: Gossec und Philip Marlowe, das ist ja wirklich gut gemeint und als großes Kompliment gedacht, aber das passt eigentlich überhaupt nicht. Philip Marlowe hat mit Gossec so viel gemeinsam wie John Wayne mit Django. Meine Präferenzen sind vollkommen klar: Ich mag Italowestern. Für meine Krimis heißt das, dass sie Geschichten sein wollen, die gerade noch ernst sind, bevor das Genre in die Parodie abkippt. Und deswegen darf man da beim Erzählen nicht lange fackeln. Das muss hochtourig durchgehen mit voll gezogenem Choke bis zum Anschlag eben. Allerdings gibt diese Erzählweise mir spezielle Möglichkeiten, die schaumig gequirlte »Gutmenschen-Krimis« einfach nie haben werden. Am liebsten wäre mir dafür die Bezeichnung schwarze Ironie. Du brauchst beim Lesen kein Taschentuch, weil du bittere Tränen über die Schlechtigkeit der Welt vergießen müsstest, nein, bei meinen Büchern kannst du, hoffe ich jedenfalls, drüber lachen. Reimers: Wird es weitere Krimis mit Gossec geben? Das Ende lässt ja mindestens zwei Schlüsse zu. Bronski: Richtig, »Nackige Engel«, das ist der vierte Gossec-Krimi, insofern ist die Tetralogie jetzt abgeschlossen. Die Klammer, die diese vier Bücher zusammenhält, ist übrigens eine ganz, ganz schlichte. Es geht um die vier Jahreszeiten in München: Begonnen hat es mit dem Sommer im »Sister Sox«, dann kam der Herbst in »München Blues«, »Schampanninger« spielt im Winter, und der vierte widmet sich jetzt naturgemäß dem Frühling. Die Frage jetzt, ob es weitergeht und wie es weitergeht, die ist für mich zur Zeit noch vollkommen offen. Ich hab mich da noch überhaupt nicht entschieden. Reimers: Sie haben eine Weile Theologie studiert. Hat das Einfluss auf Gossecs Verständnis von Gerechtigkeit, Schuld und Sühne? Was heißt für Sie überhaupt Verbrechen? Gibt es für Sie eine treffende Definition von Gut und von Böse? Bronski: Erst mal schön, dass man meinen Büchern die theologische Schulung auch anmerkt. Trotzdem, Fragen nach Gerechtigkeit, Schuld und Sühne, die halte ich für meine Romane doch deutlich zu hoch gegriffen. Wenn ich allerdings nach einer treffenden Definition für Gut und Böse gefragt werde, fällt mir sofort »Die fromme Helene« von Wilhelm Busch ein. Dort heißt es: »Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, das man lässt.« Gossecs Problem ist damit scharf umrissen. Ein wirklich Guter wäre er nur dann, wenn er es endlich einmal lassen könnte. Einfach dasitzen, Hände in den Schoß und Ruhe. Stattdessen versucht er das Gute auch noch zu tun; gut zu handeln. Damit verstrickt er sich erst, weil ihm Situationen aufgezwungen werden, in denen er das eine, das Gute, vom anderen, dem Bösen, nicht mehr unterscheiden kann. Wenn man das jetzt weiterdenkt, dann kommt man vielleicht doch noch auf die ganz großen Fragen. Allerdings, der Mensch Gossec, der schafft es leider nie. Reimers: Wie gehen Sie beim Schreiben vor: Planen Sie alles voraus? Wissen Sie von Anfang an, wie es ausgeht? Oder ergibt sich das erst während des Schreibens? Und warum überhaupt Krimis? Bronski: Maj Sjöwall, die schwedische Autorin, die hat mal gesagt, dass ein Krimi auf zwanglose Weise von Problemen in der Gesellschaft erzählt. Beim Krimi kommt jetzt noch der segensreiche Nebeneffekt dazu, dass es sich bei ihm wesentlich um ein Trivialgenre handelt, in dem solche Absichten nicht zu hoch gehängt werden müssen. Das finde ich sehr angenehm. |
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