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14. November 2010 | Kirsten Reimers für satt.org |
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5501 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 Hexenjagd im 21. Jahrhundert
Betty und Robin Thorogood haben eine ausgemusterte Kirche in der Nähe des Dörfchens Old Hindwell an der walisisch-englischen Grenze gekauft. Diese Kirche ist eine von fünfen, die dem Erzengel Michael geweiht sind und – laut einer alten Legende – das Böse in Gestalt eines Drachen eindämmen, der im Radnor Forest lauert. Diese Kirchen bilden einen Kreis oder in anderer Lesart ein auf dem Kopf stehendes Pentagramm. Das Ganze wäre völlig unerheblich, würde nicht in Old Hindwell Pfarrer Nicolas Ellis – genannt »Vater Ellis« – im Stile US-amerikanischer Massenprediger des Bible Belt seine Schäfchen zu Erweckungsgottesdiensten rufen und wären nicht Betty und Robin praktizierende Anhänger von Wicca. Als dies durch einen Zufall bekannt wird, schlagen die Wellen der fundamentalistischen christlichen Empörung hoch. Um ihre jeweiligen konfessionellen Lager zu unterstützen, reisen sowohl Wiccarianer als auch Christen in das walisische Grenzgebiet. Die Lage spitzt sich zu, als zu Mariä Lichtmess die Wiccarianer sich anschicken, Imbolg, eines ihrer bedeutendsten Feste, in der ehemaligen Kirche zu begehen. Vater Ellis ruft daraufhin zu einem regelrechten Kreuzzug gegen die Heiden auf: Der Drache darf nicht erwachen. Die Presse schlachtet die Situation aus und gießt durch reißerische Berichterstattung reichlich Öl ins Feuer. Ein Rückfall ins finsterste Mittelalter scheint unausweichlich. Merrily Watkins, die »Beraterin für spirituelle Grenzfragen« – kurz: Exorzistin – der Diözese Hereford stößt zunächst durch einen Zufall auf den Konflikt in Old Hindwell und wird schließlich vom Interrimsbischof gebeten, Vater Ellis etwas zu bremsen. Wie sie feststellen muss, überschreitet der in mehr als einer Hinsicht ethische Grenzen. Aber auch auf der Seite der Wiccarianer findet sich mit Ned Bain ein begnadeter Charismatiker, der zu vielem, viel zu vielem, bereit ist. Religiöser Fanatismus, Manipulation von Menschengruppen, Massenmedien auf der Suche nach Sensationen, die die niedersten menschlichen Triebe bedienen, und das Grauen, das sich hinter den wohlanständigen Fassaden eines kuscheligen Dorfes verbirgt – Phil Rickman beschwört auch in seinem dritten Roman um Merrily Watkins, »Die fünfte Kirche« (im Original »A Crown of Lights« von 2001), eine Atmosphäre des Ungewissen, Uneindeutigen, Paranoiden herauf. Ob hier Übersinnliches im Spiel ist, ob das Böse vor den Toren von Old Hindwell lauert oder ob es nicht ganz handfest in den Menschen zu finden ist in Form von Fanatismus und Gier – jede Antwort ist möglich. Das macht den Reiz der intelligenten Gothic Novells (Ein herzliches »Danke!« an Henrike Heiland für diese notwendige Richtigstellung!) von Rickman aus. Der Autor stellt verschiedene Weltdeutungssysteme gegeneinander, ohne einem den Vorzug zu geben. Was wahr ist oder gar real, wer weiß das schon. Im Grunde sind Rickmans Bücher philosophische Auseinandersetzungen über die Letzten Dinge – doch so verkopft lesen sie sich weiß Gott oder wer auch immer nicht. Im Gegenteil, in ihrer ruhigen Art verfügen sie über ein hohes Maß an intelligenter Spannung, das aus der handfesten Konfrontation von unterschiedlichen Lebenswelten resultiert. Und dazu kommt etwas, das sich nicht wirklich fassen lässt und das einem ganz behutsam, aber doch nachhaltig den Boden unter den Füßen der eigenen Gewissheiten wegzuziehen vermag. |
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