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28. November 2011 | Kirsten Reimers für satt.org |
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6701 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 King of cool
Mit »Tage der Toten« (im Original »The Power of the Dog«, 2010 auf Deutsch bei Suhrkamp erschienen) hat Don Winslow einen der wichtigsten und besten Romane dieser Zeit zum Drogenkrieg zwischen den USA und Mexiko geschrieben. In »Zeit des Zorns« (der Originaltitel »Savages« ist nicht ganz so dramatisierend und stattdessen beziehungsreicher) greift er ein Mosaiksteinchen dort heraus und schildert die Auseinandersetzungen im Drogenmilieu im Kleinen. Pointierte Miniatur Ben und Chon bauen das beste Hydro-Gras in ganz Kalifornien an und verkaufen es mit großem Erfolg. Das lässige Zwei-Mann-Unternehmen macht Millionenumsätze. Ben, Sohn eines Psychologenehepaares, Pazifist und ausgestattet mit sozialem Gewissen (und mit großem Spaß am Drogenbusiness), ruft mit seinen Gewinnen humanitäre Projekte in der dritten Welt ins Leben. Chon hingegen, aus desolatem Elternhaus, Ex-Marine und schwer traumatisiert durch seinen Afghanistan-Einsatz, kümmert sich um die schmutzigen Seiten des Geschäfts; wenn es sein muss, tötet er ohne jeden Skrupel. Komplettiert wird diese pointierte Miniatur der gegenwärtigen US-amerikanischen Gesellschaft durch Ophelia, genannt O, Tochter einer reichen, durchgeknallten Hippiemutter, clever, sexy und konsumorientiert. Ben, Chon und O bilden eine glückliche menage à trois, lustvoll gelagert auf einer stabilen finanziellen Basis dank exklusiver Kundschaft für das Wunderdope. Eskalation vorgezeichnet Doch Erfolg bleibt nicht unbemerkt, schon gar nicht im Drogenbusiness. Ohne sie auch nur benennen zu müssen, macht Winslow die Mechanismen dieser Industrie, die tödliche Logik kapitalistischen Strukturen offensichtlich und wie sie die Menschen darin fixieren: Das Baja-Kartell, eines der großen mexikanischen Drogenkartelle mit Hauptsitz in Tijuana – auf der Halbinsel Baja California – ist auf das lukrative Kleinunternehmen mit festem Kundenstamm aufmerksam geworden. Da das Baja-Kartell von internen Machtkämpfen erschüttert wird und der Konkurrenzkampf mit den anderen Drogenkartellen gnadenlos ist, wäre eine Expansion in die USA und die Übernahme des erfolgreichen Dope-Herstellers ein willkommener Schritt zur Konsolidierung. Da erste Verhandlungen ergebnislos verlaufen, greift die Chefin des Baja-Kartells zu deutlichen Mitteln: Sie lässt O entführen und droht mit ihrer Enthauptung, um Ben und Chon zur Kooperation zu bewegen. Doch auf Gewalt kann es in dieser Branche nur eine Antwort geben: noch mehr Gewalt. Die Eskalation ist vorgezeichnet – und sie führt bis zum Äußersten. Jenseits von Konventionen »Zeit des Zorns« ist ungebremst brutal und gleichzeitig romantisch, mit deutlichen Anklängen an »Butch Cassidy und Sundance Kid«. Ein schneller, extrem cooler, unverfrorener und intelligenter Roman – dabei von entwaffnendem Witz – mit dem vermutlich kürzesten ersten Kapitel der Weltgeschichte. Winslow kümmert sich nicht um Konventionen, weder inhaltlich noch formal: Erzählende Passagen wechseln mit inneren Monologen, drehbuchartigen Einschüben, Listen, Quizfragen, direkter Leseransprache, lexikalen Erklärungen oder etymologischen Herleitungen. Übersetzt wurde dies ganz vorzüglich von Conny Lösch. Ein grandioses, kleines, abgebrühtes Meisterwerk.
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